Zitat von Linnsebinse im Beitrag #43Also im Jazz wird gesagt: Die Musik ist für den Zuhörer, nicht für den Spieler. Aber der erste Zuhörer ist der Spieler.
Sehr schön!
Zitat von Bernard im Beitrag #45distanziert zuhören können
Mahlzeit, ich habe lange Jahre in Bands gespielt und da konnte man sich ganz gut in der "Masse" verstecken bzw. hat sich ausser als Sänger*in meist nicht emotional so richtig "nackig" gemacht! Als ich dann angefangen haben Solo und Duo Konzerte zu spielen war die Situation eine andere. Alle Ohren, Augen und fast immer wohlmeinende Herzen sind auf einen gerichtet. Mir hat folgendes geholfen. Zum einen sehe ich das Publikum nicht als beurteilende Bedrohung, sondern als Mitmenschen, die bestimmt voller Wohlwollen sind und sich freuen, dass jemand sich traut seine Gefühle durch die Musik auszudrücken und da oben auf der Bühne steht. Und dann gehörte die Erfahrung des Scheiterns dazu, also es total zu versemmeln und dann doch zu erleben, dass das Leben weitergeht. Irgendwann eine Gelassenheit zu entwickeln, dass man durchkommt und einen Plan B ad hoc improvisieren kann.
Dazu folgende kurze Stories: Ich habe mal im Vorprogramm des großartigen Tony McManus spielen dürfen. Während des letzten Songs von mir hatte ich einen massiven Blackout und wußte nicht mehr wie ich enden sollte, ich war abgelenkt, weil ich durch ein Fenster den Schnee fallen sah und so zündete mein Hirn in genau diese Richtung und improvisierte ein kleines musikalisches Zitat aus "Leise rieselt der Schnee". Kaum jemand hat gemerkt, dass dies eher ein Unfall war, sondern es gab extra Zuspruch, weil ich mal eben aus der Hüfte dieses Ende spielte. Das liegt wohl daran, dass ich in meiner Bandzeit als Rog n roller gelernt habe zu improvisieren.
Ein anderes Mal hatte ich ein Stück Musik auf meiner Setlist ein falschen Tuning zugeschrieben. Während ich lang und breit beim Umstimmen der Gitarre von der tiefen emitionalen Bedeutung des Titels sprach, merkte ich nicht, dass ich ein ganz anderes Tuning gebraucht hätte. Ich schliesse die Augen, atme tief ein und freu mich auf diesen ersten schönen weichen Akkord und es erklingt pure Kakophonie. Ich dachte ich sterbe. Tat ich aber dann doch nicht, der Schweiß brach aus und ich brach das Stück ab und erklärte etwas wirr, dass ich wegen technischer Probleme nun doch ein anderes Stück spielen müsse, zu dem dann das Tuning auch passte. Es war mir unangenehm, aber der Rest des Konzerts war ganz prima und Mitmusikern im Publikum, die gemerkt hatten, dass es etwas nicht stimmte, konnte ich die Situation erklären.
Mitgenommen habe ich, dass ich mir selber wohl nicht immer trauen kann und besser alles doppelt und dreifach prüfe und dann meist so ein ganz kurzen Prüfakkord spiele, der dann das richtige Tuning bestätigt. Und dass die Welt sich auch danach weiterdreht. Ausserdem hilft viel Humor und die Sicht, dass man sich und die Musik auch nicht zu wichtig nehmen sollte. Ich habe kein Lampenfieber mehr, sondern immer nur eine freudige Erwartung auf alles was da kommen mag.
PS: @Agustin, es ist fast 14 Jahre her, dass wir in Stuttgart das erste Mal gemeinsam konzertiert haben. Gerade die Bilder wiedergefunden. Wie die Zeit doch verfliegt!
Zitat von Roland Kalus im Beitrag #49Ausserdem hilft viel Humor und die Sicht, dass man sich und die Musik auch nicht zu wichtig nehmen sollte. Ich habe kein Lampenfieber mehr, sondern immer nur eine freude Erwartung auf alles was da kommen mag.
Ich empfehle einfach einen Besuch beim Stoppok-Konzert.
Zitat von Roland Kalus im Beitrag #49 PS: @Agustin, es ist fast 14 Jahre her, dass wir in Stuttgart das erste Mal gemeinsam konzertiert haben. Gerade die Bilder wiedergefunden. Wie die Zeit doch verfliegt!
Zitat von Roland Kalus im Beitrag #49 PS: @Agustin, es ist fast 14 Jahre her, dass wir in Stuttgart das erste Mal gemeinsam konzertiert haben. Gerade die Bilder wiedergefunden. Wie die Zeit doch verfliegt!
Relativ häufig habe ich Pepe Romero im Konzert gehört, so gut wie immer hat er hinreißend gespielt. Aber einmal ist er bei der Bach Chaconne wirklich gründlich rausgeflogen, hat von vorne angefangen und ist an der selben Stelle wieder rausgeflogen. Später habe ich ihn auf einem Kurs erlebt und da hat er einen Teilnehmer mit dem Spruch getröstet: Denk daran, selbst wenn du ganz viel versemmelst, morgen geht die Sonne wieder auf. Die Erinnerung an diesem Spruch hilft auch mir gegen Lampenfieber.
Da ergibt sich vielleicht eine Frage. Was mache ich eigentlich wirklich, wenn ich den Faden total verliere? Ist es nicht so, dass wenn man von vorne anfängt, man in Gedanken wieder auf diese Passage zuspielt und Gefahr läuft, eben wieder nicht weiter zu kommen? Kenne ich jedenfalls mitunter von mir. Was wären da schlaue Alternativen?
Einen Komplettabbruch habe ich noch nie erlebt, jedenfalls nicht in "klassischer" Musik. 3x anfangen weil 2x gescheitert - das habe ich schon als Zuhörer mitbekommen. Finde ich auch nicht besonders schlimm.
Ich habe mir zwei Tricks angeeignet: mir die Sätze und Unterteilungen gut einprägen und auf der Partitur markieren. Das sind dann meine "Festhaltepunkte". Wenn ich rausfliege, springe ich zum nächsten Festhaltepunkt und kann wieder einsetzen. Wenn es gut läuft, kann ich noch ein kleines Arpeggio der entsprechenden Tonart als Übergang einbauen. Aber das ist schon (für mich auf jeden Fall) eine extra "Leistung"von mir .
Ich bin ganz und gar nicht auftrittsfest. Noch nicht einmal in der Musikschule, geschweige denn öffentlich. Ich stelle mir einfach vor dass alles super klappt und ich mich freue. Dann durchatmen, die Tonart kenne, die Haltepunkte nochmal angucken, die ersten zwei Takte im Kopf abspielen und dann einfach anfangen. Das fühlt sich für mich immer wieder an wie vom Fünfer zu springen. Man überlebt es aber Spass macht es erst hinterher.
Zitat von Gitarrenmichel im Beitrag #56Da ergibt sich vielleicht eine Frage. Was mache ich eigentlich wirklich, wenn ich den Faden total verliere? Ist es nicht so, dass wenn man von vorne anfängt, man in Gedanken wieder auf diese Passage zuspielt und Gefahr läuft, eben wieder nicht weiter zu kommen? Kenne ich jedenfalls mitunter von mir. Was wären da schlaue Alternativen?
Gruß Michael
Meistens hatte ich die Stücke so oft geübt dass ich sie live quasi im autopilot modus vortragen konnte, wie Fahrradfahren. Lampenfiber kann im Extremfall diese automation stören, es fühlt sich plötzlich an einer Stelle an als ob man das Stück verlernt hätte, und der Kopf weiss nicht mehr wohin die Finger sollen. Dann habe ich die letzte Stelle einfach wiederholt und im loop gespielt bis ich wieder raus wusste. Ähnlich wie im Kreisverkehr fahren und man ist unsicher wo man raus soll, dann fahre ich lieber noch mal eine runde und habe genügend Zeit zu überlegen. Besser wie an der falschen Stelle raus zu fahren, dann ist man komplett verloren.
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15.06.2025 11:21
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