Zitat von rojarosguitar im Beitrag #11Wurde die Gitarre nicht geradezu dafür erfunden, um in Einsamkeit oder unter dem Fenster die geliebte Person anzuschmachten? Habe ich immer gedacht 😂
Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht eine Erfindung der Spätromantik ist. Ist die Gitarre um 1800 nicht ein Instrument der Salons, also ein häufig und gerne in Gesellschaft gespieltes und gehörtes Instrument?
Gruß Michael
Ich war unterwegs und wollte nicht per Handy lange Texte verfassen, aber jetzt bin ich wieder zuhause. Die Tatsache, dass die Gitarre in den Salons und in Gesellschaft gespielt wurde, macht den Spieler nicht weniger einsam (sicher auch nicht automatisch mehr einsam) - oft genug hat die Gesellschaft gar nicht zugehört sondern die Unterhaltung fortgesetzt (wie man es auch heute oft genug bei musikalischer Unterhaltung in Kaffees und Restaurants und anderen Lokale sieht). Und selbst wenn einem zugehört wurde, so war man vielleicht trotzdem mit seiner Musik alleine, vielleicht respektiert oder bewundert, aber nicht unbedingt ein Teil des gewöhnlichen menschlichen Austausches, der unter den Gästen lief.
Ich habe eine Anekdote gehört (die vielleicht sogar wahr ist), dass Francesco da Milano oft mit dem Beinamen 'Il Divino' bezeichnet wurde, weil die Gesellschaft - wenn er seine Laute anstimmte - tatsächlich ihre Unterhaltungen einstellte und ihm mit Konzentration zuhörte. Angenommen, das sei wahr - dann wurde er vielleicht bewundert, aber war er dadurch automatisch nicht einsam?
Wenn ich nochmals die Anfangs benutzte Analogie zum Rock und Pop nochmals verwende: Die berühmten Popstars wie Beatles oder R Stones wurden bejubelt, angehimmelt, und hatten wohl Affären ohne Ende, aber letztlich waren es, glaube ich, doch ziemlich einsame Leute - in die blauen Lüfte hoch idealisiert.
Aber ich will nicht behaupten, dass dies der einzige Aspekt ist. Musik kann auch sehr verbindend sein, wenn gleich wahrscheinlich nicht die klassische Gitarre. Flamenco schon eher, als eine soziale Lebensform. Nur so ein paar Gedanken, ohne irgendwelche Wahrheiten verkünden zu wollen...
Ich werfe noch einmal einen Begriff ein (und führe das aus Zeitmangel jetzt gerade nicht weiter aus), der hier vielleicht auch gegen Einsamkeit passt: "community music". Da wird uns auch mit klassischer Gitarre niemand vom Feld scheuchen:-)
Ich bin jetzt kein Philosoph, ich frage mich aber, ob man zwischen "Einsamkeit" und "Alleinsein" (beides wird häufig synonym gebraucht) nicht einen Unterschied machen sollte. Einsamkeit entsteht als Gefühl im Individuum und konstituiert eine Beziehung zur Welt. Das heißt, Einsamkeit ist keine den Dingen innenwohnende oder von ihnen abhängige Eigenschaft. Praktisch heißt das, ich kann mich mit einer Gitarre, einer Posaune, elf Geschwistern, meiner Lebensgefährtin oder einem Publikum einsam fühlen oder halt nicht. Insofern wäre die Frage "Macht die Gitarre einsam?" immer nur individuell zu beantworten. Wenn man nun "Alleinsein" dagegen als "Seinszustand" (nicht metaphysisch gedacht) betrachtet, käme man der Sache vielleicht näher. Ohne das Geschwurbel formuliert: Wenn ich mein Zimmer mit zwei Geschwistern teile, kann ich mich auch sehr einsam fühlen, bin aber eher weniger alleine. Ich hatte den Eindruck, dass am Anfang dieses Fadens (Situation des Gitarristen an Musikhochschulen, im Orchester etc.) diese soziale Kategorie die eigentlich gemeinte wäre. In diesem Kontext wären meine Bemerkung zur Rolle des Gitarristen / Salons etc. um 1800 zu verstehen. Wie "alleine" man mit seinem Instrument ist, würde sich dann immer über den gesellschaftlichen Kontext ergeben und hätte jetzt nichts mit dem individuellen Gefühl der Einsamkeit zu tun, obwohl es da sicher Bezüge gibt. Ist jetzt halt auch nur Hobbyphilosophie!
Die Unterscheidung zwischen 'Alleinsein' und 'Einsamkeit' ist sicherlich wichtig, und ich denke, dass der letztere Begriff hier greift, wenn es natürlich kein exklusives Recht des klassischen Gitarristen ist, sich einsam zu fühlen ...
Zitat von jozef im Beitrag #38Die Gitarre ist nicht nur ein Instrument, sondern ein Gesprächspartner. Sei dankbar für das Privileg, in Ruhe mit ihr zu verweilen.
Es gibt Menschen, die mit Worten kommunizieren. Einige von uns haben das Privileg, mit Musik zu kommunizieren. Und wir, die wir Gitarre spielen, sind dabei besonders privilegiert...
-vorsicht, es erwartet sie eine mischung aus sarkasmus und leid, manches davon evtl. lustig gemeint-
ich empfinde den völlig ausufernden aufwand dieses Instrument halbwegs ordentlich zu spielen als ungerechtfertigt.
Ein kleines Beispiel: Für Konzerte muss ich die solos und zu begleitenden stücke mindestens 4wochen vorher ordentlich üben und alle anderen musiker (Streicher, Sänger etc) sehen sich die sachen ein paar mal vorher an und es reicht aus. Ständig tut mir bei diesem großen aufwand die linke hand weh, alles liegt schlecht und hat tausend überstreckungen etc. und ich habe generell das gefühlt bei einem großteil des repertoires nicht mit, sondern gegen mein Instrument zu arbeiten. Dann kann mich kein mensch hören, nie! Deshalb habe ich auch noch technik am haken mit schleppen aufbau check etc.
Nach dem konzert, wer kennt es nicht, werden alle hoch in den himmel gelobt nur der arme generalbass sklave nicht. Ich rümpfe meine nase, jawohl! Als die leute beim letzten Konzert endlich fertig waren die sängerin zu umschwärmen fragte mich nur jemand kurz: und woher kommst du?
Hahaha ich werfe das handtuch liebe kollegen....
vielleicht muss das Instrument zurück in die kammer mit gebildeten
Lieber Felix, hab ganz herzlichen Dank, für Deine offenen Schilderungen aus professioneller Sicht! Ich weiß von Orchestermusikern, dass ihnen der nicht endende Applaus am Ende einer Vorstellung teils auch sehr auf den Zeiger geht … weil sie Arbeit fertig haben und nach Hause wollen. Solche Blicke hinter die Kulissen sind spannend und erweitern den Horizont von uns Interessierten.
Der Unterschied zu den vielen Hobbymusikern wird hier durch die vielen Beiträge deutlich, es macht sich eben bemerkbar, ob man seine Freizeit gestaltet oder sein Berufsleben bestreitet.
Aber vielleicht helfen Dir die rührenden Loblieder auf den Partner Gitarre etwas weiter, die ursprüngliche Leidenschaft für dieses Instrument wieder etwas anzufachen?
Jozef und Aokorn auf der einen, Felix auf der anderen Seite. Kann ich beides sehr gut nachvollziehen.
Vor einiger Jahren wurde ich zu einer Geburtstagsparty eingeladen. Außer dem Gastgeber kannte ich niemanden. Der Gastgeber hatte sich einen Liederabend gewünscht (Reinhard May und ähnliches), die Gäste sollten singen, ich sollte auf der Gitarre begleiten. Im Lauf des Abends kam mir der Verdacht, dass ich nur deshalb eingeladen worden war, weil ich Gitarre spielen kann. Die übrigen Gäste waren alles alte Freunde und unterhielten sich blendend. Eine geschlossene Gesellschaft. Aus dem netten Abend mit Programm war damit ein Gig geworden (für den ich natürlich nicht bezahlt wurde). Die Einladung im Jahr darauf habe ich dankend abgelehnt.
Auch einer der Gründe, weshalb ich da ganz bei Aokorn und Jozef bin.
Zitat von Charlie im Beitrag #42Lieber Felix, hab ganz herzlichen Dank, für Deine offenen Schilderungen aus professioneller Sicht!
Der Unterschied zu den vielen Hobbymusikern wird hier durch die vielen Beiträge deutlich, es macht sich eben bemerkbar, ob man seine Freizeit gestaltet oder sein Berufsleben bestreitet.
Aber vielleicht helfen Dir die rührenden Loblieder auf den Partner Gitarre etwas weiter, die ursprüngliche Leidenschaft für dieses Instrument wieder etwas anzufachen?
Hallo Charlie,
obwohl ich Hobby-Musiker bin, konnte ich mich mit dem Großteil von Felix Kommentar doch sehr identifizieren:
Zitat von Felix im Beitrag #41 Ich empfinde den völlig ausufernden aufwand dieses Instrument halbwegs ordentlich zu spielen als ungerechtfertigt.
Ein kleines Beispiel: Für Konzerte muss ich die solos und zu begleitenden stücke mindestens 4wochen vorher ordentlich üben und alle anderen musiker (Streicher, Sänger etc) sehen sich die sachen ein paar mal vorher an und es reicht aus. Ständig tut mir bei diesem großen aufwand die linke hand weh, alles liegt schlecht und hat tausend überstreckungen etc. und ich habe generell das gefühlt bei einem großteil des repertoires nicht mit, sondern gegen mein Instrument zu arbeiten.
Ob man nun für ein Konzert übt oder für sich selbst. Ein Stück fehlerfrei und schön zu spielen und überhaupt die verschiedenen Techniken zu lernen und Eigenheiten der Gitarre zu meistern, ist schon ein Aufwand.
Ich spiele zwar nicht Klavier, aber da muss man doch nur Tasten drücken (natürlich übertrieben vereinfacht gesagt). Gitarre ist schwer (wahrscheinlich auch für talentiertere als mich)
vielen dank für eure schönen kommentare. Ich liebe sie doch (die gitarre) aber ich kann sie einfach nichtmehr verteidigen nach 25jahren.
Als ich meinen kommentar grade nochmal gelesen habe musste ich etwas lachen, das ganze erinnert doch sehr an "der Kontrabass" von Süßkind. Falls ihn jemand nochnicht kennen sollte sei er hiermit wärmstens empfohlen.
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18.09.2025 04:31
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