in den letzten Wochen habe ich mich mit Koyunbaba beschäftigt und viel Freude an den doch reichen Klängen des Stücks gehabt. Erstaunt und fast erschreckt war ich dann, als ich wieder Stücke in Standard-Stimmung gespielt habe und sich meine Fingerkuppen mit etwas mehr Empfindlichkeit gemeldet haben.
Koynbaba ist nun kein leichtes Stück, aber durch sehr viele Wiederholungen und eher wiederkehrende Fingereinsätze der linken Hand scheint es für die linke Hand weniger herausfordernd zu sein als klassische Stücke und kann dennoch ein tolles Klangerlebnis bieten (Alliquotverhalten).
Da wir alle älter werden und die Beweglichkeit und Schnelligkeit der Finger dadurch nicht begünstigt wird, geht mir die Frage durch den Kopf, ob es
1) zum einen durch alternative Stimmungen später leichter wird, noch lange mit Freude Gitarre spielen zu können und man sich bei Zeiten Stücke dafür zurecht legen kann?
2) zum zweiten auch für Menschen mit Behinderungen und/oder eingeschränkter Mobilität in den Fingern Möglichkeiten gibt, leichter Gitarre zu spielen. Gehört habe ich schon mal davon, die Gitarre auf E-Dur zu stimmen und mit Slideröhrchen Akkorde zu spielen. Gibt es da noch andere Konzepte, die Euch bekannt sind?
naja, das beste Beispiel wie man Gitarre mit Behinderung spielen kann war Django Reinhard. Er hat natürlich keine klassische Gitarrenmusik gespielt, aber seine Musik ist trotzdem immer zeitlos schön.
Zitat von Charlie im Beitrag #1für Menschen mit Behinderungen und/oder eingeschränkter Mobilität in den Fingern Möglichkeiten gibt, leichter Gitarre zu spielen. Gehört habe ich schon mal davon, die Gitarre auf E-Dur zu stimmen und mit Slideröhrchen Akkorde zu spielen. Gibt es da noch andere Konzepte, die Euch bekannt sind?
Open Tunings wären IMHO die letzte Möglichkeit. Vorher fallen mir ein: - Gitarrenstütze (Fußbank ging mit meiner Hüfte gar nicht mehr), ggf. auch Spielständer (K&M 17461) - Armstütze (kann die Schulterhaltung erleichtern, ich habe sie aber vor allem wegen langer Arme) - Saiten mit niedriger Spannung - Instrument mit kürzerer Mensur und evtl. kleinerem Korpus
Ich habe früher viel Open Tuning gespielt, selten auch mit Slide. Ich bin davon ab aus mehreren Gründen.
Manche halten es für einen Vorteil, dass man das Griffbrett bei jedem Tuning neu lernt. Mich hat es gestört; Ich weiß gerne, was ich spiele und nicht nur wie ich die Finger setzen muss. Will man ein Tuning wirklich beherrschen, muss man sich darauf konzentrieren, dann kann man auch gleich Standard spielen.
Nylonsaiten halten die Stimmung nicht; Stahlsaiten reißen beim Umstimmen gerne. Für die Bühne ist das ein Problem, wenn man nicht mehrere Instrumente hat.
Fahey, Kottke, Hedges sind einfach nicht so gute Komponisten wie Gitarristen, dh das Material ist oft dünn und lohnt den Aufwand nicht.
Als Ergebnis habe ich das „Loch in der Banane“ und „Fingerpickers have more fun“ in Standard gelernt. Du hast die Aliquotschwingungen nicht, aber es klingt trotzdem gut. Pierre Bususan, der Gott des DADGAD, hat alle seine Kompositionen auf Standard umgeschrieben, sicherlich auch zur besseren Zugänglichkeit.
Koyunbaba ist eine erfreuliche Ausnahme. Das Stück ist kompositorisch befriedigend und für die linke Hand relativ einfach. Es mag aus einer Improvisation entstanden sein, klingt aber nicht danach.
Aber jetzt bräuchte ich noch eine Gitarre für das Stück … Ich habe schon angefangen, andere Stücke zu arrangieren.
Kurzfassung: alternative Stimmungen schaffen mehr Probleme als sie lösen.
Zitat von Docsteve im Beitrag #4alternative Stimmungen schaffen mehr Probleme als sie lösen.
... wenn man sie als "Problemlöser" sieht. Open Tunings haben einen anderen musikalischen Ursprung. Zu dem passen sie, für normale "mittelruropäische Kunstmusik" eher nicht. Und, klar, Fahey, Kottke etc. stammen eben aus diesen Traditionen. In denen weniger komponiert, dafür mehr "gespielt" wurde. (Ist jetzt alles sehr kurz und platt formuliert, schon klar.) Und zum Teil auch etwas gehandicapt: Wer den ganzen Tag die Hände bei der Arbeit belastet, braucht evtl. etwas "Entgegenkommen" beim Instrument, der Musik und der Spielweise. (Wo ich "hänge": Aus welchen musikalischen Gründen ist eigentlich irgendwann die 3. Saite von f# auf g "gerutscht"? Ist aber ein anderes Thema, keines der Barrierefreiheit.)
Zitat von rwe… Wer den ganzen Tag die Hände bei der Arbeit belastet, braucht evtl. etwas "Entgegenkommen" beim Instrument, der Musik und der Spielweise.
In diese Richtung ging mein Gedanke und meine Frage, ob man ein „Entgegenkommen“ für das Alter schon im Vorfeld vorbereiten kann. Agustin schrieb auch einmal, dass das Spiel in alternativen Stimmungen die Hände schonen würde.
Noch ein Nachtrag: für das Beste Lap Slide-Spiel der Welt, hör dir Kelly Joe Phelps an, insbesondere die Alben Roll Away the Stone und Shine eyed Mister Zen.
Wenn die linke Hand gar nicht mehr will, dann spiele ich sowas. Aber ich fürchte, es ist wie beim Geige spielen – die ersten Jahre sind furchtbar für alle Beteiligten.
Zitat von Charlie im Beitrag #6Frage, ob man ein „Entgegenkommen“ für das Alter schon im Vorfeld vorbereiten kann.
Nee, ich denke, dass dieser Ansatz nicht sinnvoll ist. Man weiß nicht, welche Probleme später auftreten werden, und "nur langsamer" kann zwar ein Gedanke sein, aber dann kann man auch gleich zum Bass wechseln;-)
Zitat von Charlie im Beitrag #6Agustin schrieb auch einmal, dass das Spiel in alternativen Stimmungen die Hände schonen würde.
Ja, und das ganztägige Liegen im Bett schont die Fußsohlen. Es hängt ja von der Musik ab, welche Stimmung sinnvoll ist. Blues mit Bottleneck geht auf offenen Stimmungen, und eigentlich nur so. DADGAD wird nicht wegen der Vereinfachung gewählt, sondern auf Grund des anderen Klangcharakters.
Bei "schonen" bin ich wieder bei dem, was ich oben schrieb: Low Tension, kürzere Mensur, "Prothesen" am Instrument.
Mein Konzept war Fingertraining beim Wiedereinstieg nach einigen Jahrzehnten der zunehmenden bis vollständigen Unterbrechung. Schließlich war ich bereits 72, als ich wieder anfangen wollte. Ich hatte so große Probleme mit der linken Hand, dass mein Gedanke nichts mit "Schonen" zu tun hatte, sondern nur war: "die Hand und die Finger brauchen mehr Training".
Natürlich war auch der Wechsel zu weicheren Saiten notwendig, aber in meinem Fall von sehr harten zu "medium". (Lange Zeit hatte ich die Thomastik-Infeld "Rope-Core"-Saiten, alle 6 Saiten glatt umsponnen - der Vorteil: kein Geräusch beim Lagenwechsel, weiterer Vorteil: sehr lange Haltbarkeit).
An anderer Stelle hatte ich schon mal geschrieben, dass ich im Sportgeschäft Hartgummiringe für das Fingertraining gefunden hatte (<10 €). Immer bei Denkpausen am Schreibtisch habe ich sie in die Hände genommen und rhythmisch zwischen Daumen und Fingern zusammengedrückt. Der Trainingseffekt ist deutlich spürbar. Nach 1/2 Jahr gelangen mir auch wieder Barré-Griffe, bei denen es zuvor nur geschnarrt hat.
Ich spiele keine kürzere Mensur, weil ich die alte Gitarre (bisher jedenfalls) weiter behalten will. Schließlich war es ein Werkstudenten-Monatseinkommen damals (Anfang der 70er Jahre), das ich für dieses Instrument hingelegt hatte. Das legt man nicht so schnell wieder zur Seite, wenn man gerade erst wieder begonnen hat und die ganzen Erinnerungen zurückkommen. Im Übrigen spiele ich weiter nach der alten Methode mit Fußstütze, zuletzt oft 1,5 Std. am Stück. Dass es keine Kreuzschmerzen etc. gibt, ist mein Konzept nicht, an dieser Technik und Haltung etwas zu ändern, sondern mit der richtigen Gymnastik solchen Probleme entgegen zu wirken (natürlich auch mit Anleitung, weil ich bei diesen Übungen zu vergesslich bin.).
Ich bin auch nicht so überzeugt, dass es ein Altersproblem ist, denn im Alter von 34 Jahren ging es nach Jahren totaler Sport-Vernachlässigung meinem Rücken sehr viel schlechter als heute. Die Warnungen gingen so weit, ich könnte vor dem Alter von 50 Jahren im Rollstuhl landen, wenn ich nicht zuerst gezielt aufbauend und dann dauerhaft erhaltend mit Training die Stabilität des Rückens wieder herstellen würde. Mein Sporttraining habe ich danach bis zur 26maligen Teilnahme an Marathonläufen und einigen Triathlons wieder aufgebaut. Das war natürlich dann mit ein Grund der Vernachlässigung der Geige und der Gitarre. Alles geht leider nicht, aber so extrem muss es ja auch nicht sein!
Klar, es gibt auch heute immer wieder Phasen mit Problemen im Rücken, in Knien u.a., aber ich habe das mit 75 weitaus besser im Griff, als damals mit 34! Auch regelmäßige Radtouren (in der Ebene ohne Motor auch heute oft noch im Bereich um 28-30 Km/h) und im Urlaub auch anspruchsvolle Bergtouren gehören nach wie vor zum Programm. Damals hatte ich den "Warnschuss" bekommen. Mit vollem Erfolg habe ich mich gegen diese frühe Degeneration der Körperfunktionen gewehrt. Deshalb ist das in meinen Augen viel mehr ein Problem der Vernachlässigung des eigenen Körpers als ein Altersproblem, wenn ich hier manche Altersangaben sehe, die um mehr als 10 Jahre unter dem meinem liegen. Natürlich spiele ich im Vergleich zu vielen hier im Forum eher anfängerhaft. Und natürlich weiß ich nicht, wie es in 5 Jahren aussieht. Aber ich war etwas erschrocken bei den hier gelesenen Altersangaben, die dann schon Altersprobleme sein sollten. Deshalb dieser ausführliche Bericht aus meiner Sicht.
Zitat von HarVo im Beitrag #9Mein Konzept war Fingertraining beim Wiedereinstieg nach einigen Jahrzehnten der zunehmenden bis vollständigen Unterbrechung. Schließlich war ich bereits 72, als ich wieder anfangen wollte. Ich hatte so große Probleme mit der linken Hand, dass mein Gedanke nichts mit "Schonen" zu tun hatte, sondern nur war: "die Hand und die Finger brauchen mehr Training".
Natürlich war auch der Wechsel zu weicheren Saiten notwendig, aber in meinem Fall von sehr harten zu "medium". (Lange Zeit hatte ich die Thomastik-Infeld "Rope-Core"-Saiten, alle 6 Saiten glatt umsponnen - der Vorteil: kein Geräusch beim Lagenwechsel, weiterer Vorteil: sehr lange Haltbarkeit).
An anderer Stelle hatte ich schon mal geschrieben, dass ich im Sportgeschäft Hartgummiringe für das Fingertraining gefunden hatte (<10 €). Immer bei Denkpausen am Schreibtisch habe ich sie in die Hände genommen und rhythmisch zwischen Daumen und Fingern zusammengedrückt. Der Trainingseffekt ist deutlich spürbar. Nach 1/2 Jahr gelangen mir auch wieder Barré-Griffe, bei denen es zuvor nur geschnarrt hat.
Ich spiele keine kürzere Mensur, weil ich die alte Gitarre (bisher jedenfalls) weiter behalten will. Schließlich war es ein Werkstudenten-Monatseinkommen damals (Anfang der 70er Jahre), das ich für dieses Instrument hingelegt hatte. Das legt man nicht so schnell wieder zur Seite, wenn man gerade erst wieder begonnen hat und die ganzen Erinnerungen zurückkommen. Im Übrigen spiele ich weiter nach der alten Methode mit Fußstütze, zuletzt oft 1,5 Std. am Stück. Dass es keine Kreuzschmerzen etc. gibt, ist mein Konzept nicht, an dieser Technik und Haltung etwas zu ändern, sondern mit der richtigen Gymnastik solchen Probleme entgegen zu wirken (natürlich auch mit Anleitung, weil ich bei diesen Übungen zu vergesslich bin.).
Ich bin auch nicht so überzeugt, dass es ein Altersproblem ist, denn im Alter von 34 Jahren ging es nach Jahren totaler Sport-Vernachlässigung meinem Rücken sehr viel schlechter als heute. Die Warnungen gingen so weit, ich könnte vor dem Alter von 50 Jahren im Rollstuhl landen, wenn ich nicht zuerst gezielt aufbauend und dann dauerhaft erhaltend mit Training die Stabilität des Rückens wieder herstellen würde. Mein Sporttraining habe ich danach bis zur 26maligen Teilnahme an Marathonläufen und einigen Triathlons wieder aufgebaut. Das war natürlich dann mit ein Grund der Vernachlässigung der Geige und der Gitarre. Alles geht leider nicht, aber so extrem muss es ja auch nicht sein!
Klar, es gibt auch heute immer wieder Phasen mit Problemen im Rücken, in Knien u.a., aber ich habe das mit 75 weitaus besser im Griff, als damals mit 34! Auch regelmäßige Radtouren (in der Ebene ohne Motor auch heute oft noch im Bereich um 28-30 Km/h) und im Urlaub auch anspruchsvolle Bergtouren gehören nach wie vor zum Programm. Damals hatte ich den "Warnschuss" bekommen. Mit vollem Erfolg habe ich mich gegen diese frühe Degeneration der Körperfunktionen gewehrt. Deshalb ist das in meinen Augen viel mehr ein Problem der Vernachlässigung des eigenen Körpers als ein Altersproblem, wenn ich hier manche Altersangaben sehe, die um mehr als 10 Jahre unter dem meinem liegen. Natürlich spiele ich im Vergleich zu vielen hier im Forum eher anfängerhaft. Und natürlich weiß ich nicht, wie es in 5 Jahren aussieht. Aber ich war etwas erschrocken bei den hier gelesenen Altersangaben, die dann schon Altersprobleme sein sollten. Deshalb dieser ausführliche Bericht aus meiner Sicht.
Danke für den sehr ausführlichen und persönlichen Bericht. Mobilität aufbauen und erhalten ist schon sehr zentral. Vielleicht noch diesbezüglich ein Tipp von meiner ergo: (War wegen Arthrose im Daumengelenk in Behandlung) Beim Greifen "die Kralle" machen, um die verschiedenen Gelenke der Finger zu belasten, und zwar eben nicht erst im Falle der Arthrose und nicht bezüglich der Gitarre, sondern möglichst bei vielen alltäglichen Handgriffen. Da schwört sie drauf.
Also die Idee ist, dass alle Gelenke des Fingers beim Greifen beteiligt sein sollen. Ich kenne jetzt die Fachbegriffe für die einzelnen Partien nicht, in der Praxis sei es jedoch so, meint jedenfalls die ergo, dass relativ "steif", gewissermaßen mit "spitzen" Fingern gegriffen werde. Wenn jedes einzelne Fingergelenk gekrümmt wird, könnte ich das als Laie am besten eben als "Kralle" beschreiben. Das wirkt etwas künstlich und gewöhnungsbedürftig und erstmal auch nicht funktional, da nicht zwingend notwendig bei den meisten Greifvorgängen, könnte aber Z. B. Die Sattelgelenke entlasten und vorbeugend sein.
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27.09.2024 09:58 (zuletzt bearbeitet: 27.09.2024 09:59)
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