Ist hier ein Berufs-Konzertgitarrist dabei, der mir schreiben kann, wie er übt und vor allem für ein Konzert?

Ich habe mal von einem Gitarrenlehrer gehört, dass man Stücke nicht zu häufig in kurzer Zeit ( z.B. mehrmals am Tag) von Anfang bis Ende spielen soll, sondern an verschiedenen Tagen einzelne Fragmente isoliert üben soll und das ganze Stück dann vielleicht z.B. nur einmal die Woche oder kurz vor dem Konzert 1 bis 2 mal komplett spielen soll. Das würde schnellere Erfolge bringen.

Lieber Nalis, die Art und Fülle deiner Fragen bestärkt mich in der Meinung, dass du dir einen Lehrer oder eine Lehrerin suchen solltest. Alle die Dinge, die du wissen willst, sind Teil eines Unterrichts und müssen teilweise direkt am Instrument besprochen werden. Übetechniken gehören auch dazu. Nur im direkten Unterricht kann man auf deine individuellen Wünsche und Bedürfnisse eingehen. Fragen in Foren bleiben immer allgemein und zeigen meist die Sicht des Antwortenden, was dir im Zweifelsfall nicht hilft.

Ich spiele aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr live, kann nur aus der Vergangenheit berichten. Zuerst musste ich jeden Stück in und auswendig kennen, das heisst in der Lage sein jedes Stück ohne Noten und blind spielen zu können (Live kann die Bühnenbeleuchtung einem so stark blenden dass man die Gitarre nicht mehr sieht, darauf muss man vorbereitet sein ansonsten kommt Panik). Etwa 1 Monat vor dem Konzert Repertoire fest definieren, dann täglich 2x das gesamte Konzert als Übung durchspielen und zwar jeden song komplett, macht gut 4h Übung täglich. Erst wenn es mir gelangt in den 2 Läufen keinen einzigen Fehler zu machen, konnte ich davon ausgehen dass ich live nur wenige Fehler machen würde. Mindestens 1-2 Tage investieren um die Spracheinführung der Stücke oder was man den Publikum mitteilen will vorzubereiten, vielleicht gelingt auch ein roter Faden zu konstruieren.

Zitat von ollo im Beitrag #2

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Lieber Nalis, die Art und Fülle deiner Fragen bestärkt mich in der Meinung, dass du dir einen Lehrer oder eine Lehrerin suchen solltest.

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Zitat von commissario im Beitrag #4

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Im Kontext, dass Nalis bereits 37 Jahre (!) Konzertgitarre spielt, halte ich das nicht für zwingend notwendig

Er wird mit Sicherheit einige Stücke vortragsreif spielen können, die er einem Publikum präsentieren kann.

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Ich mutmaße aber auch nur! Er hat sich hier im Forum so vorgestellt. ("Ich spiele seit 37 Jahren Konzertgitarre (Hobby)")

Alles immer eine Frage der Intensität...

Julian Bream übte auch auf Tournee jeden Tag zwei Stunden lang Technik und dämpfte dabei die Saiten mit einer roten Socke ab, um die anderern Gäste im Hotel nicht zu stören.

Jetzt weiß ich, warum ich noch kein Star bin: Ich besitze keine roten Socken! (SCNR)

Ich habe echt Respekt vor derart disziplinierten Künstlern! Zwei Stunden tägliches Üben sind schon ein Brett.

Ich bin immer wieder fasziniert davon, dass viele Bühnengitarristen ihre Konzerte auswendig spielen. Sicher, die spielen schon Jahre und haben ihre Techniken dafür. Dennoch eine irre Leistung.

Zwei Stunden lang TECHNIK....da dürfte noch einiges drauf kommen...aber das ist dann halt auch Beruf und nicht Hobby.

wer übt hat Angst 😉😉😉

Zwei Stunden täglich müssen nicht immer schon Beruf sein. In "meinem" Kammerorchester während des Studiums (ich hatte es gegründet, deshalb "in meinem", hatte die Leitung aber bald an eine dafür besser qualifizierte Studentin abgegeben) hatten wir gelegentlich kleinere Klavierkonzerte gespielt. Der Pianist war Assistent im physikalischen Institut, also war seine Musik eindeutig nicht Beruf. Der kam immer erst gegen 10 oder 10:30 Uhr ins Institut und hat es auch geschafft, alle seine Vorlesungsverpflichtungen in den Nachmittag zu legen, weil er jeden Morgen drei Stunden geübt hat, bevor er zur Arbeit ging. Der hätte mit ganz anderen Orchestern als mit unserem kleinen Amateur-Ensemble spielen können, aber er war weder arrogant noch abgehoben wegen seiner absolut überdurchschnittlichen Spielfähigkeiten für einen Amateur. Es hat ihm Spaß gemacht und für unsere Stücke musste er nichts einüben. Das konnte er so direkt vom Blatt oder kannte die Stücke sowieso schon.

Was das auswendig Spielen betrifft: Man sieht viele Solisten in Konzerten ganze Klavierkonzerte, Violinkonzerte etc. auswendig spielen. Die sind vielfach länger als irgend ein Gitarrenstück das ich bisher je gehört habe. Yehudi Menuhin hatte sämtliche bekannten Violinkonzerte auswendig im Kopf. Bei einem Gastkonzert hatte es mal Verständigungsprobleme gegeben. Das Mendelssohn-Konzert stand auf dem Programm. Er ließ die Geige am Arm herunterhängen. Der Dirigent schaut ihn fragend an. Er nickt. Der Dirigent schaut noch einmal. Er nickt nochmals deutlich. Der Dirigent gibt den Einsatz. Es sind 1 1/2 Takte Orchesterakkorde. Dann setzt die Violine ein. Er reißt in heftiger Bewegung die Geige zum Hals und spielt pünktlich seinen Einsatz. Später in einer Pause flüstert er dem Dirigenten zu "Ich dachte Beethoven." Da hat der Violinist nämlich erst einmal drei Minuten Pause, bevor sein Einsatz kommt. Dann spielte er natürlich das ganze Konzert auswendig und fehlerfrei bis zum Schluss. Wenn ich mich richtig erinnere, war das Anfang der 1950er Jahren mit Wilhelm Furtwängler als Dirigent der Berliner Philharmoniker, aber genau weiß ich das nicht mehr, da ich das ja auch nur indirekt von einem der damals anwesenden Musiker gehört hatte, also einem, der zur Zeit meines Studiums eine Generation älter war als ich.

Und wir Amateure haben Probleme mit einigen wenigen Seiten von Notenblättern, diese auswendig zu spielen. Ich glaube aber, bei solchen Leuten sind es nicht zwei und nicht drei Stunden täglich, sondern eher um die sechs oder mehr Stunden. Bei den Gitarristen mit gut bekannten Namen wird das ähnlich sein mit der täglichen Spieldauer. Denen werden auch keine zwei bis drei Stunden reichen.

Martha Argerich, die ich sehr mag, spielt erst seit kurzem mit Noten, sie ist jetzt weit über 80 und hat jetzt oft eine Blätterhilfe neben sich sitzen. Die restlichen mehr als 70 Jahre spielte sie ohne. In einer Doku habe ich aber auch mal gesehen, dass sie ein sehr spezieller Charakter ist. Vielleicht ist da also auch Veranlagung dabei...
Wer die Dame nicht kennt, dem empfehle ich Youtube.
Es gibt eine legendäre Aufnahme, ich glaube Rachmaninov, da war sie wohl Tags vorher Gartenarbeit machen und hatte Pflaster an den Fingern. Die sind ob es schnellen Spiels dann los an den Händen geflattert und ich war begeistert, weil sie offenbar ihre Hände nicht wie rohe Eier behandelt hat, sondern eben wie Hände.
Ich habe sie hier in Regensburg gesehen und war begeistert, welche Kraft und Geschwindigkeit sie in dem Alter noch hat.

Das ist missverständlich: sie übte alles immer mit Noten ein, aber sie spielte ihre Konzerte auswendig, also nicht mit Noten.
Mir ist sie bekannt geworden mit dem Skandal um den Chopin-Wettbewerb 1980. Sie war Jurorin und hat wütend den Saal verlassen nachdem Ivo Pogorelich von vier Juroren die höchste und von vieren die niedrigste Punktzahl bekommen hatte und damit aus der Konkurrenz rausflog. Sie hat gegen das Bewertungssystem protestiert, mit dem es möglich war, jemanden total abzuwerten, der eine neuen, moderne und sehr unkonventionelle Interpretation der Musik Chopins vorträgt. Sie rief in den Saal "Er ist ein Genie". Und er hat durch den Presserummel danach einen Plattenvertrag bekommen und für Klassik hohe Verkaufszahlen erzielt. Aber auch Martha Argerich wurde damit bekannter, als sie vorher war. Von beiden habe ich damals nach diesen Presseberichten CDs gekauft.

Du hast Recht, ich korrigiere: Argerich konzertierte ohne Noten, über das Üben weiß ich nichts. Danke für den Hinweis!

Zitat von Docsteve im Beitrag #7

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Julian Bream übte auch auf Tournee jeden Tag zwei Stunden lang Technik und dämpfte dabei die Saiten mit einer roten Socke ab, um die anderern Gäste im Hotel nicht zu stören.

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