Gleich vorweg: ich denke, ich mache das zu wenig und ein Gitarrenlehrer würde das öfter einfordern.
Meine Grundlage ist "Das Gitarrespiel, ein Unterrichtswerk vom Angang bis zur Meisterschaft" von Bruno Henze, Heft 6, Hofmeister Verlag, 1954 (ziemlich vergilbtes Papier, aber immernoch gut!)
Für Etüden habe ich dann noch die Gitarrenschule von José de Azpiazu (Ricordi, 1969)

Das Programm in dem Heft von B. Henze hat z.B. Klopfübungen für die linke Hand, Übungen zur Fingerfesselung für die linke Hand, Spreiz und Überstreckungsübungen der linken Hand, Intervalltonleitern in Terzen, Sexten, Oktaven und Dezimen in einer Reihe verschiedener Tonarten, Barréstudien, Übungen der verschiedenen Arten von Verzierungen, Anschlagübungen für die rechte Hand, Lagenwechselübungen mit verschiedenen Arten von Akkorden, Wechselanschlag, Tremolo, Vibrato, Portamento, Glissando, Flageolett-Übungen, Farbanschläge (Staccato, Pizzicato, Etouffé), Arpeggio, Rasgueado (ein ganzes Kapitel mit Übungen Etüden und dem spanischen Rythmus), verschiedene Arten von Rasgueado (wie Tremolorasgueado, geteiltes Rasgueado)

Es ist also irre viel da in dem einen Heft, und wenn ich mal deutlich weiter kommen sollte, als bis zur Seite 8, wo ich jetzt bin (von 60 Seiten), dann könnte ich wohl viel besser spielen als jetzt.

Aber:
Es ist ausgesprochen anstrengend, sich mit diesen Übungen zu beschäftigen. Schon bei den Intervall-Tonleitern raucht mir nach wenigen Minuten der Kopf. Längeres starkes Konzentrieren fällt auch nicht mehr so leicht wie in jungen Jahren.
Die Folge: Ich mache es zu wenig. Wenn es mir zu viel ist, beginne ich eher wieder ein neues kleines Stück aus dem Heft von Azpiazu (die sind alle sehr kurz und klingen zum Teil ganz nett, viele sind auch von Aguado, Coste oder Sors). Wenn es dann wieder eins ist, das durchgehend mehrstimmig gespielt wird, merke ich, dass genau die Übung in diesen Intervall-Tonleiterübungen fehlt. Natürlich übe ich auch regelmäßig an meinen anderen längeren Stücken, versuche aber regelmäßig, mir vorher diese alten Übungshefte vorzunehmen, nur, ich denke mal, zu kurz.

Wie oft, wie regelmäßig und wie lange beschäftigt ihr euch mit solchen Übungen?

Gleich vorweg, auch 60+ , allerdings nicht auf dem Level, wo man diese Fragen gänzlich ignorieren könnte. Aber ich sehe es auch, dass man ohne Druck die Zeit einfach halbwegs selbstbestimmt dazu nutzen sollte das zu spielen, was man mag und erreichbar ist. Allerdings stelle ich mir die Frage, ob technische Übungen im Alter nicht wichtig sein könnten, um bestimmte motorische Fähigkeiten, zu erhalten, jedenfalls in einem bestimmten Rahmen.

Gruß Michael

P.S. Mache ich dann mit 70+ 😉

Gleich vorweg, nicht 60+

Danke für die Erinnerung dass ich das öfter machen sollte. Ich mache relativ regelmäßig Übungen zur Fingerunabhängigkeit a la „Pumping Nylon“. Eine Zeit lang täglich, zur Zeit unregelmäßiger. Meiner Erfahrung nach verliert man die Technik wenn man das nicht regelmäßig macht. Ich habe das Gefühl das ich durch die Unregelmäßigkeit nicht mehr den Level habe den ich hatte als ich das täglich gemacht habe. Wenn man älter wird, wird „Niveau halten“ und „Abbau verzögern“ auch ein Argument. Sehe ich bei meinen Vorfahren.

Sehe jetzt erst das Michael diese Aspekte angeschnitten hat.

Für klassische Gitarre, dich ich mittlerweile nurnoch kurz im täglichen Gebrauch spiele, übe ich sowas nur für bestimmte Stücke. Also wenn ein Stück eine bestimmte Technik voraussetzt, spiele ich mich mit einer passenden Technik-Übung warm. Ich merke so dann nach einer gewissen Regelmäßigkeit auch, dass die Übungen mir helfen.

Für Jazzgitarre, zu der ich ja auch ein Studium anstrebe, übe ich täglich Technik. Sowohl rhytmisch als auch Arpeggien und Skalen. Was im Improvisationskontext aber wahrscheinlich wichtiger ist als auf der klassischen Gitarre.
Technikübungen machen mir genauso oft Spaß, wie sie mir auch keinen Spaß machen. Also: mal so mal so. Jedenfalls merke ich immer mehr, wie wichtig die Technikübungen für mich sind.

Für mich kommt's auch drauf an, dass es Spass macht. Bin 60+ und mache solche vorgefertigten Übungen sehr selten. Ich versuche aber immer, die Technik zu verbessern. Das kommt mit den Stücken von selbst. Ich wähle zum Üben auch immer wieder Stücke, die über meinem Level sind. Die bringen mich wirklich weiter. Die haben ihre Passagen, die halt schwierig sind. Und da übe ich die spezielle Technik anhand des Stückes dann. Die Motivation und der Spass kommen daher, dass mir das Stück gefällt und ich es können will. Zwischendurch mache ich dann aber auch Übungen, wobei ich mich aber i.a. nicht an so ein Lehrbuch halte.

Aber um nicht "im eigenen Saft zu braten", also um auch in andere Richtungen denken zu können, schau ich mir Videos von Profis an, die oft Technik besprechen. Da lerne ich viel mehr als von einem Lehrbuch.

Zitat von AndreasLindae im Beitrag #6

---

Für mich kommt's auch drauf an, dass es Spass macht. Bin 60+ und mache solche vorgefertigten Übungen sehr selten. Ich versuche aber immer, die Technik zu verbessern. Das kommt mit den Stücken von selbst. Ich wähle zum Üben auch immer wieder Stücke, die über meinem Level sind. Die bringen mich wirklich weiter. Die haben ihre Passagen, die halt schwierig sind. Und da übe ich die spezielle Technik anhand des Stückes dann. Die Motivation und der Spass kommen daher, dass mir das Stück gefällt und ich es können will. Zwischendurch mache ich dann aber auch Übungen, wobei ich mich aber i.a. nicht an so ein Lehrbuch halte.

Aber um nicht "im eigenen Saft zu braten", also um auch in andere Richtungen denken zu können, schau ich mir Videos von Profis an, die oft Technik besprechen. Da lerne ich viel mehr als von einem Lehrbuch.

---

Hallo HarVo,
die von Dir beschriebenen Übungen macht man am besten dann, wenn sie "dran" sind, sie später immer wieder zu wiederholen, macht nur bedingt Sinn. "Technik" ist die Lösung der Frage "wie geht das" wenn das geklärt ist, macht es keinen Sinn, die geklärten Fragen endlos durch den Quintenzurkel zu jagen. Es gibt fast zu jedem Technikbereich exemplarischen Verfahren und dann ist es hauptsächlich eine Frage intelligenter Anwendung, ich denke da an Intervallspiel, Tonleitertypen, Übeformen für Zerlegungen usw. usw.
Jörg

Technikübungen, die rein im Wiederholen mechanischer Fingerbewegungen bestehen und von Musik abstrahieren, halte ich bestenfalls für überflüssig und schlimmstenfalls für schädlich. Leider ist das aber die Art von Übungen, die man in den gängigen Technikbüchern findet. Ich habe solche Übungen selbst nie gemacht und sie auch als Lehrer nie empfohlen. Technische Vollendung wird meiner Ansicht nach dadurch erreicht, dass man immer und von Anfang an sorgfältig ausgewählte Musikstücke (einschl. Etüden) übt, die aktuell dem eigenen Entwicklungsstand ensprechen oder etwas darüber liegen. So habe ich jedenfalls meine eigene Spieltechnik entwickelt, mit der ich wunschlos zufrieden bin, und so handhabe ich es auch mit Schülern.

Vielen Dank für die Antworten. Das ist sehr aufschlussreich, wie ihr das seht.

Zitat von Peter im Beitrag #2

---

Warum soll ich mir mit solchen Übungen, die mir überhaupt keinen Spaß machen, den Tag vermiesen?

---

Zitat von AndreasLindae im Beitrag #6

---

Für mich kommt's auch drauf an, dass es Spass macht. Bin 60+ und mache solche vorgefertigten Übungen sehr selten.

---

Zitat von Tedesco im Beitrag #9

---

Ich habe solche Übungen selbst nie gemacht und sie auch als Lehrer nie empfohlen.

---

Das ist im oben genannten Kontext genauso: nur wenn Du es brauchst, wird es geübt. Findest Du in Deinen Noten einen Hinweis, in welcher Lage eine Notenfolge zu spielen ist, kannst Du Dir raussuchen und vermerken, wo Du greifen musst. Das geht auch mit einem kleinen Merkzettel mit grafischer Darstellung.

Andererseits spricht nichts dagegen, sich mit den Noten in höheren Lagen zu beschäftigen. Im Idealfall hast Du eine 2. Gitarre, bei der Du mit kleinen Klebepunkten mal alle „A“s auf dem Griffbrett markierst und versuchst, Dir das in den Bünden zu merken. Dann einen anderen Notenwert … Oder Du malst ein Griffbrett auf einen Zettel und markierst die Noten … hat auch was Spielerisches, Sudoku auf der Gitarre 😉 … oder Du schaust mal nach Pentatonik bei youtube …

Griffbrettkenntnis und technisches üben hat in meinem Unterricht nichts miteinander zu tun. Griffbrettkenntnis ist im Pflichtprogramm des Gitarrenunterrichtes, weil ich keine Lust habe, im Unterricht Ostereiersuchen zu spielen.
Jörg

Du kannst auch vertikal vorgehen. Wir wissen wie die Töne der Leersaiten heißen und haben dafür eine Eselsbrücke. Für den siebten Bund gibt es auch welche z.B.: Hier ein alter, doofer, fieser Heini. Zehnter Bund: Der große Cäsar fand alle doof.
Oder horizontal in Intervallen: kleine Terz drei Bünde, große vier usw. Dann zählst du in Halbtonschritten. Man gewöhnt sich, so kompliziert ist das gar nicht.

Zitat von Manfred im Beitrag #13

---

Du kannst auch vertikal vorgehen. Wir wissen wie die Töne der Leersaiten heißen und haben dafür eine Eselsbrücke. Für den siebten Bund gibt es auch welche z.B.: Hier ein alter, doofer, fieser Heini. Zehnter Bund: Der große Cäsar fand alle doof.
Oder horizontal in Intervallen: kleine Terz drei Bünde, große vier usw. Dann zählst du in Halbtonschritten. Man gewöhnt sich.

---