Oft liest man Kommentare über Youtube-Videos, es wäre zu viel Hall. Zuerst, für diejenige die nur diagonal lesen, bitte beachten sie das meine Meinung die ich hier bespreche keine Einbahn ist, es ist ein wenig nuanciert.
Was verständlich ist in diesem "zu viel Hall" kommt davon, dass wir hier unter Instrument-Liebhaber sind, und dass uns logischerweise nur der Klang des Instrumentes interressiert. Um diesen Klang zu beurteilen darf also kein Hall dazu.
Aber es gibt schon ein erster Wiederspruch dazu : damit kein Hall mit dem natürlichen Klang der Gitarre aufgenommen wird, soll das Mikrofon ganz nahe irgend vor der Rosette stehen, sagen wir 20 cm weit. Welcher von ihnen hört seine Gitarre so ? Nein unsere Ohren sind weiter von der Rosette und überhaupt weit oben und nicht vor dem instrument. Die bekommen Umgebungshall. Also ist schon eine grosse Differenz zwichen einer total "trockenen" Aufnahme und was wir Spieler hören.
Was aber überhaupt zu beachten ist, ist dass die Youtube-Videos nicht gedacht sind als Instrumenten-Demos, sondern als Musik, gedacht nicht für Musikanten, aber für Zuhörer (ausser offensichtiche Demos, aber davon sprechen wir hier nicht).
Kennen sie ein Konzertsaal wo es nur einen Sitzplatz gibt, wo der Zuhörer sein Kopf 20 cm vor der Rosette hat ? Ich glaube nicht. Also, die "Wirklichkeit" ist ein Klang den man mit ziemlichen Abstand vom Instrument hört, in einer akustischen Umgebung (dass heisst : mit Hall). Die Umgebung kann ziemlich trocken sein wie ein Opersaal, aber auch voll Hall wie eine Kirche.
Musikliebhaber brauchen Hall, es ist eben natürlich. Und natürlich gehört Hall zu einer Aufnahme.
Problematisch kann das werden wenn die Aufnahme über Hifi-Anlage gehört wird, in einem grossen Wohnzimmer dass nicht akustisch überlegt ist : grosse vorhanglose Fenster, keine Teppiche usw. Also ein Raum der selbt viel Hall produziert. Dann mischt sich der Hall der Aufnahme zu dem Hall des Raumes, und das kann entsetzlich klingen.
Aber ganz so entsetzlich ist eine Aufnahme total ohne Hall in einem Kopfhörer.
Hall ist Leben und Natur.
Wie bringt man Hall zur Aufnahme ? entweder stehen Mikrofone in einer natürlich sehr schönen Akustikumgebung (Konzertsaal, Kirche, ...) in diesem Falle ziemlich weit weg vom Instrument. Oder ganz nahe am Instrument mit ein paar andere Mikrofone weitweg die die Umgebung erfassen. Dazu muss schon viel Erfahrung, wie auch erstklassiges Material. Gelungen wird dass nicht immer. Für "hausgemachten" Videos (und selbst auch für Profis) ist es meist besser künstliches Hall zum trockenen Klang zu mischen (eine ganze Frage die hier kein Platz hat). Wahl gibt es viel wie man das genau macht, es kommt darauf an was man ausdrücken will ... auf keinen Fall eine Demo für den rauen Klang des Instrumentes.
Für mich ist Hall immer dann unangenehm zu hören, wenn er situativ nicht passt. In einem Saal oder einer Kirche ist der natürlich Hall nicht unangenehm oder störend, weil er zur (kognitiven) Hör-Erwartung passt.
Wie beim Essen: rot gefärbter Spinat oder blaue Nudeln würden wohl ein Störgefühl verursachen, weil wir (unser Gehirn) eine ganz andere Erwartung haben.
Ich weiß nicht, ob ich in einer reinen Audio-Aufnahme echten situativen Hall von zugemischtem künstlichen Hall treffsicher unterscheiden könnte, aber in einem Video, in dem eine Künstlerin in einem kleinen Raum vor einer Gardine dann mit wahnsinns-Hall zu sehen und hören ist, habe ich ein Gefühl von Unstimmigkeit, dass mich zum abschalten bewegt.
Ich glaube nicht, dass unser Interesse an dem reinen Instrumentenklang uns gegen Halleffekte positioniert, sondern, dass wir die Unstimmigkeit zwischen erwarteter akustischer Situation und dem überformten Höreindruck empfinden.
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Vielen Dank Bernard für deine Ausführungen. Zwei Anmerkungen von meiner Seite dazu: 1) Es geht meines Erachtens nicht darum, dass einer Aufnahme gar kein Hall zugefügt werden soll, sondern es geht darum wieviel und ob es dann noch natürlich klingt oder eben nicht. 2) Dass eine Aufnahme zum Hören und Geniessen mit Effekten, u.a. Hall verbessert wird, ist vollkommen normal. Wie unter 1) aufgeführt ist dabei allerdings für mich schon wichtig, ob dies gut gemacht ist, aber das ist natürlich individuelle Geschmacksache. Manche Gitarren-Aufnahmen haben die Effekte (vor allem Hall) derart übertrieben, dass ich sie mir nicht weiter anhöre, sie tun mir in den Ohren weh. Aber der Punkt, der ja hier im Forum öfter diskutiert ist ein anderer: Kann ich allein aus einer Aufnahme rückschliessen, ob ein Instrument meinem Klangideal entspricht oder nicht? Da allein - wie du ja auch ausführst - die Aufnahme durch ein Mikrofon (Großmembraner, Kleinmembraner, welche Richtcharakteristik, welcher Abstand,....) den Klang gegenüber der realen Situation verändert, würde ich mich für eine solche Beurteilung niemals auf eine Aufnahme verlassen, meiner Meinung nach muss man immer das Instrument live hören/spielen.
Zitat von Peter im Beitrag #3Kann ich allein aus einer Aufnahme rückschliessen, ob ein Instrument meinem Klangideal entspricht oder nicht? Da allein - wie du ja auch ausführst - die Aufnahme durch ein Mikrofon (Großmembraner, Kleinmembraner, welche Richtcharakteristik, welcher Abstand,....) den Klang gegenüber der realen Situation verändert, würde ich mich für eine solche Beurteilung niemals auf eine Aufnahme verlassen, meiner Meinung nach muss man immer das Instrument live hören/spielen.
Ich habe mich sehr viel mit Aufnahmetechniken und DAWs beschäftigt: Das ist mittlerweile auch meine feste Meinung bezüglich akustischer Instrumente. Schon die Auswahl des Mikrofons und dessen Positionierung hat erheblichen Einfluss auf den Klang. Und die weiteren Parameter wie Raumgröße, Aufnahmetechnik etc. erst recht.
Eine Vergleichbarkeit verschiedener Gitarren wäre m.E. nach zumindest ansatzweise möglich, wenn die Aufnahmetechnik exakt gleich wäre. Dabei wäre es relativ egal, ob Hall oder kein Hall verwendet würde - es muss halt nur gleich sein. Ansatzweise deshalb, weil bei Gitarren noch das Saitenproblem hinzukommt, welches immer gerne unterschlagen wird. Ich war erst jetzt wieder sehr erstaunt, wie schlechte oder auch ungewohnte Saiten den Klang einer Gitarre verfälschen und wie schwer es ist, damit eine Kaufentscheidung zu treffen.
Ich habe bei dem Soundschnipsel meiner neuen Gitarre, den ich hier hochgeladen hatte, mit Schrecken gesehen, dass aus meiner 4 MB großen WAV-Datei, die mit 24 bit / 96 kHz gesampelt war, nur ganze 393 kB übrig geblieben sind. Das bei nur einem Zehntel Restgröße Verluste auftreten, liegt doch auf der Hand, auch wenn die Kompimierungstechniken immer raffinierter werden.
Ganz OK, ich stimme zu mit den Kommentare, die könnten ja Punkte angeben die ich vergessen habe (z.B. die blaue Nudeln, ganz recht !). Nur, von "Kaufentscheidung" oder "Instrumenten Beurteilung" war keine Rede bei mir, ich deutete auf Videos die für gewöhnlichen Zuhörer gedacht wurden.
Klingt vielleicht banal, aber künstliches Echo bei Gitarren ist für mich wie Zucker im Kaffee – man kann es hinzufügen, doch zu viel davon ruiniert den Geschmack. Ich persönlich bevorzuge Espresso pur, denn der natürliche (klangliche) Charakter ist am besten. Aber viele bevorzugen viel Milch und Zucker, nur zu, wenn es ihnen schmeckt…
Mir ist schwarzer Espresso auch viel lieber, aber dieses Bild passt hier nicht : wie am Anfang gesagt, die Ohren direkt vor Rosette (wie ein Mikrofon !) macht ja niemanden, nicht mal der Spieler selbst, es gibt immer Umgebungshall, ganz natürlicherweise. Also immer ein wenig Zucker im Kaffee.
Hallo Bernard, Eine Gitarrenaufnahme ohne jegliche Rauminformation wäre für mich undenkbar, dass ist halt weit verbreitet und akzeptiert vom Julian Bream bis zu Thibaut García in allen Produktionen. Hall und Raumreflektion wird dagegen als sehr unangenehmen bei gesprochenen Inhalten wie Nachrichtensendungen oder podcast empfunden. Dort geht es vor allem um die Klarheit und Verständlichkeit der Sprache. Man kann eine Gitarrenaufnahme durch zuviel Hall oder in einem akustisch für die Gitarre sehr schlechten Raum etwas verschlechtern. Gerade auf YouTube bei der Menge an homerecordings kann es vorkommen, aber dort is meine Meinung nach die Audioqualität nicht so kritisch wie bei einem Album. Man ist nicht nur mit der Musik sondern auch mit den visuellen Informationen aus dem video beschäftigt. Wer auf YouTube unterwegs ist um den Charakter einer Gitarre zu erkunden wird nur begrenzt befriedigt werden. Bei einem solo Gitarren-Album hat mir eine Hall selten gestört, mir stört übertriebene Quietschen der Saiten, aufdringliche Atem Geräusche, Hintergrundrauschen und alles was mir von der Musik ablenkt. LG Agustin
Zitat von Bernard im Beitrag #7Also immer ein wenig Zucker im Kaffee.
Das sehe ich auch so, aber mit Betonung auf wenig, denn, um ein weitere Analogie anzuführen: "Die Dosis macht das Gift."
Es ist doch normal, dass eigentlich in jede Musikaufnahme künstlicher Hall beigemischt wird, damit die Aufnahme nicht zu trocken klingt. Aufnahmeräume in Tonstudios sind meines Wissens so konzipiert, das möglichst kein natürlicher Hall entsteht. Der Hall wird dann nachträglich gezielt künstlich eingefügt.
Ein gutes Beispiel sind ja die Aufnahmen Segovias: Ich gehe davon aus, dass alle seine Aufnahmen Hall enthalten. Es gibt aber viele Aufnahmen, bei denen penetrant viel Hall beigemischt wurde (auf Wunsch von Segovia selbst, wie ich einmal gelesen habe).
Jetzt habe ich gerade Flechtner gelesen. Ich stimme zu, dass, sobald der Hall als solcher (stark) wahrgenommen werden kann, ist es meist für meinen Geschmack schon zu viel.
Ein weiterer Punkt: Ich glaube nicht, dass ein wenig Hall daran hindert den Klang einer Gitarre zu beurteilen.
Zitat von Kaziberto im Beitrag #10Ich glaube nicht, dass ein wenig Hall daran hindert den Klang einer Gitarre zu beurteilen.
Mich persönlich hindert das jedenfalls. Beigefügten künstlichen Hall vom natürlichen Hall der Gitarre zu unterscheiden, ist mir nicht möglich. Insbesondere nicht, wenn noch ein Raumhall dazukommt.
Schlimmer als Hall ist natürlich eine Kompression mit Sustainverlängerung - damit bekomme ich selbst Flamencogitarren zum Sustainwunder. Aber das ist ein anderes Thema.
Ich finde in diesem älteren Video ist die Komplexität des Halls noch mal gut erklärt und reduzierend vereinfacht und hörbar gemacht. Der Hall aus dem Studio ist so gegenwärtig, daß man ihn für völlig normal hält. Bei den eigenen Hobby-Recordings gibts auch nur "trockene" Signale + den Raum vor Ort ....mit all seinen Gegebenheiten und Moden... (....sollte ich mal drüber nachdenken, FALLs man schon mal fehlerlos einspielte....)
Lieber Bernhard, Ich hatte ja auch Kritik bezüglich des Halls zum von dir verlinkten Ständchen Videos geäusert. Nachdem ich das Video nochmal gehört habe bleibe ich bei meiner Meinung. Ich gebe zu das ich diesbezüglich sehr empfindlich bin und empfinde ein zuviel Nachbearbeitung als sehr störend. Weniger davon ist für mich mehr. Tatsächlich stört mich das bei vielen Aufnahmen. Wahrscheinlich gehöre ich da einer Minderheit an. Ich höre YT immer mit einem Beyer DT 770, glaube aber das es daran nicht liegt. Glücklicherweise wissen wir ja wie eine Gitarre wirklich klingt. Gruß Burghard
Burghard Hänisch (@burghard_haenisch) • Instagram-Fotos und -Videos
Die selbstgemachten Aufnahmen ohne jegliche Bearbeitung sind oft erkennbar und ehrlich. In klassischer Musik macht das Instrument den Ton, nicht die Elektronik.
Zitat von Burghard im Beitrag #13Lieber Bernhard, Ich hatte ja auch Kritik bezüglich des Halls zum von dir verlinkten Ständchen Videos geäusert. Nachdem ich das Video nochmal gehört habe bleibe ich bei meiner Meinung. Ich gebe zu das ich diesbezüglich sehr empfindlich bin und empfinde ein zuviel Nachbearbeitung als sehr störend. Weniger davon ist für mich mehr. Tatsächlich stört mich das bei vielen Aufnahmen. Wahrscheinlich gehöre ich da einer Minderheit an. Ich höre YT immer mit einem Beyer DT 770, glaube aber das es daran nicht liegt. Glücklicherweise wissen wir ja wie eine Gitarre wirklich klingt. Gruß Burghard
Lieber Burghard, Ja das Schubert-Video und mein Beitrag waren schon chronologisch übereinstimmend, es war aber nicht persönlich gegen deine Meinung gemeint. Es juckte mich schon seit einiger Zeit davon zu reden. Also zur Schubert-Video insbesondere bin ich mit dir einverstanden Es liegt aber nicht an "zu viel" Hall, sondern an "sclecht geregeltes Hall", genauer gesagt, die hohen Töne des Halles (nicht des Instruments) müssten abgesenkt werden. Ich hatte diese Video nicht fur die Qualität der Aufnahme gezeigt, mir war angenehm die Gemütlichkeit der Spielart zuerest, und dann auch der generelle Klang einer romantischen Gitarre. Ein kleines aparté : der DT770 ist geschlossen. Die braucht man so das was der Sänger im Studio selbt im Kopfhörer hört sich nicht mit seiner Stimme ins Mikro reinmischt. Geschlossene Kopfhörer lassen kein Ton heraus ... aber auch keinen herein, so kann es auch interressant sein wenn man in einem unruhigen Ort Musik hören will. Aber es ist (für mich) ein sehr unangehmes Gefühl. Vielleicht mal den DT990 probieren ?
An Alle : vielen Dank für interessante Diskussion.
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26.02.2025 00:59
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