Ich habe mir lange überlegt, ob ich von meinem spanischen Domizil hier nach Alicante zu Barrueco fahren soll. Schließlich habe ich ihn schon seit 40 Jahren relativ häufig gehört.
Es hat sich aber wirklich gelohnt, die 100 km nach Alicante zu Manuel Barrueco zu fahren. Weil in der ehemaligen Stierkampf Arena neben an ein Pop Konzert stattfand, war es natürlich sehr schwierig einen Parkplatz zu finden , aber auch das haben wir noch irgendwie geschafft. Das war absolute Millimeter Arbeit in einem sehr engen Parkhaus.
Das Ambiente im Konzertsaal ADDA ist wirklich sehr schön. Außer Ignacio Rodes habe ich im Publikum niemanden erkannt. Es waren gut hundert Zuhörer da und noch etwa 60 Plätze frei, allerdings nur die schlechten weit an der Seite .
Ich weiß nicht, wer damit angefangen hat von den 100 lauten- Stücken, die Oskar Chilesotti herausgegeben hat, immer die gleichen sechs Tänze zu spielen.
Barrueco hat das wunderbar gespielt, auch wenn heutige Lautenspieler da sehr anders herangehen.
Überhaupt hat sich Barruecos Interpretations Ansatz in den 40 Jahren, in denen ich ihn immer wieder gehört habe, überhaupt nicht verändert. Es dominiert seine ruhige Klarheit, seine schöne Phrasierung, seine unaufgeregte Musikalität.
Die 6 lauten-Stücke hat er auch fast nicht verziert.
In der dritten lautensuite von Bach hat er in den Tanz Sätzen fast alle Wiederholungen weggelassen, ein oder zweimal nur den ersten Teil wiederholt und ein kleines bisschen verziert.
Im Prinzip lässt er bei Bach die Schönheit der Musik für sich sprechen. Das gelingt ihm sehr gut.
In Fernando Sors Opus 14 ging es nach der Introduktion sehr lebhaft zu. Allerdings kamen auch hier die virtuosen Passagen völlig unaufgeregt und souverän.
Zu den Stücken von Harrison hat er eine recht vernuschelte Ansage gemacht, die ich leider nicht verstanden habe.
Er hat zumindest die Reihenfolge der Stücke geändert, vielleicht auch eines ausgelassen, denn die Serenado, die ich gut kenne, erklang nicht an erster, sondern an zweiter Stelle.
Schön war auch, dass die jeweiligen Stücke auf die Bühnenrückwand projiziert wurden. Dann muss niemand mehr mit dem Programmheft rascheln 👍
Capicho Arabe kam so, wie es wohl jeder im Saal gerne spielen können möchte 😀sehr feine Binnendynamik, Atmung und Phrasierung vom Allerfeinsten!
Dieselben Qualitäten zeigten sich auch in der abschließenden Sonate von Turina, wo er im Andante einen ganz kleinen „Hänger“ hatte, der gerade noch als interpretatorische Eigenwilligkeit durchgehen konnte 😉
Er war großzügig und spiele noch drei Zugaben, von Sanz die Folias und Canarios, danach noch ein Stück von Rodrigo.
Meine Frau ist eine tüchtige Amateurpianistin und in Konzerten oft recht kritisch . Sie hat ihn zum ersten Mal gehört und war begeistert . Ich mag sein Spiel sehr, auch wenn ich zwischendurch gerne Gitarristen höre, die mehr in die Extreme gehen und auch ein größeres Risiko eingehen.
Das Konzert war der Abschluss einer etwa zehnteiligen Konzertserie mit Gitarristen. Es war ein würdiger Abschluss.
Entschuldigt bitte, dass Alicante doch etwas abseits unseres üblichen deutschen Gitarrenradius ist.
Aber das Konzert war einfach zu gut, um es zu unterschlagen.
Ich glaube, er hat das selbe Programm zwei Tage vorher auch in Koblenz gespielt. Vielleicht hat ihn jemand von euch dort gehört. Falls ihn jemand noch nie gehört haben sollte, das nächste Mal unbedingt hingehen. Es lohnt sich auch ein Stück weit zu fahren. Er wird auch nicht jünger, er ist schon 71.