Immer wieder begegne ich der Aussage, bestimmte Saiten seien sehr schnell oder eben nach vielen Tagen immer noch nicht stimmstabil. Dabei schwingt in den Schilderungen oft ein negativer Unterton mit, als sei es ein Qualitätsmerkmal guter Saiten, dass sie nach wenigen Stunden oder Tagen nicht mehr nachgestimmt werden müssen.
Besonders bei den Diskantsaiten in Nylon habe ich allerdings den Eindruck, dass mit dem Moment der Stimmstabilität die Saiten auch ihren klanglichen Höhepunkt überschritten haben, und je näher sie diesem Punkt kommen, mehr und mehr an Klangfülle verlieren. Hier ist für mich die fehlende Stimmstabilität also eher ein Garant für noch vorhandene Klanglebensdauer.
Vorausgesetzt ist natürlich materialminimale Knüpfung und etwas Dehnung beim Aufziehender Saiten.
Wie sind Eure Meinungen und Erfahrungen zur Stimmstabilität?
gutes Thema! Ich kann Dir nur meine Meinung dazu hier schreiben. Zunächst sehe ich es nicht als Qualitätsmerkmal von Saiten, wenn sie SEHR SCHNELL stimmstabil sind. Ich weiß, dass sie immer ein paar Tage brauchen, bis sie stabil sind und das ist normal für mich und ich stelle mich darauf ein (z.B. wechsle ich nicht die Saiten einen Tag vor einem Vorspiel, etc.). Andererseits mag man es aber auch nicht, wenn Saiten (bei üblicher Knüpfung) auch noch nach längerer Zeit stimminstabil sind. Nun zu Deiner Frage: Klanglicher Höhepunkt schon überschritten wenn sie stimmstabil sind (also nach ein paar Tagen)? Das sehe ich nicht so. Für mich sind sie dann eine ganze Weile lang gut im Klang. Wie lange sind sie gut für mich? Das kommt dann natürlich darauf an, 1) wie viel man darauf täglich spielt und 2) hängt es auch von der individuellen Saite ab. Aber es ist BEI MIR in keinem Fall so, dass sie bei Erreichen einer Stimmstabilität klanglich schon wieder abfallen. Vielleicht haben andere andere Erfahrungen.
Carbonsaiten brauchen etwa eine Woche, Nylonsaiten drei Tage bis sich gesetzt haben. Abhängig davon, wieviel man spielt, natürlich. Und bezogen auf Diskantsaiten. Bässe brauchen auch unterschiedliche Zeiträume, das variiert ebenfalls, aber weniger deutlich (bei mir). Die meisten Basssaiten haben einen Kern aus Nylonseide, die verhalten sich ähnlich. Andere Materialien sind leider selten.
Nachstimmen gehört zur Gitarre dazu. Der klangliche Höhepunkt - das mag ich nicht so sehen, da bin ich bei Peter. Das hängt stark davon ab wieviel man spielt und wie pingelig man ist. Das meine ich wertfrei. Ich kenne jemanden, der den Diskant eher wechselt als die Bässe, weil er nicht mehr perfekt rund und glatt ist.
Richtig ist aber, dass sich eine Saite nur noch wenig verstimmt wenn sie am Lebensende angekommen ist. Dann ist die Materialermüdung sehr weit fortgeschritten, klanglich ist die Saite aber schon lange tot. Für meine Ohren.
Ich hab da sehr unterschiedliche Erfahrungen. Ich habe die alte Moreno-Gitarre, die Carbon-Saiten gut verträgt und anfangs auch mit Nylon überhaupt keinen Klang erzeugen konnte. Das lag daran, dass sie, als sie neu war, erst einmal 20 Jahre im Koffer lag. Das war mein Versagen... Hiervon waren übrigens auch meine Posts bei dem Erithacus-Thread motiviert. Savarez Carbon sind bei ihr erst nach 1 Woche stabil, haben aber auch erst dann einen guten Klang. Bei anderen Gitarren mag der Klang früher gut sein.
Bei Nylon habe ich auch schon gehabt, dass sie stimmstabil waren just in dem Moment, wo der Klang dann auch schlechter wurde. Das hatte ich bei Augustine kürzlich bei einer anderen Gitarre. Aber ich denke, dass das auch mit der kalten Jahreszeit zu tun hat. Im Sommer hatte ich auch Augustine-Saiten, die lange stabil waren und erst nach längerer Zeit vom Ton her schlechter wurden.
Die Titanium-Saiten waren irgendwann bei der Moreno auch sehr gut. Die waren stimmstabil (bis auf das Problem mit der Handwärme) und behielten ihren guten Klang sehr lange. Ich hatte sie nach Monaten gewechselt, als der Klang sogar noch sehr gut war, weil mir das mit der Handwärme auf die Nerven ging.
Es gibt meiner Erfahrung nach also sehr viele Unterschiede und Einflüsse...
Hallo Charlie, Das scheint mir eine kühne These zu sein. Es trifft sicherlich zu, dass auch eine Gitarrensaite ein längeres oder kürzeres Leben hat. Das hängt oft mit der Präzision der Fertigung zusammen, die sich auch im Preis ausdrückt. Das Material spielt eine Rolle und die Beanspruchung durch die spielenden Hände, nicht zu vergessen der Zustand der Bünde, Spannung, Luftfeuchtigkeit nicht zu vergessen. Die Hauptkriterien für die Auswahl eines Saitensatzes, vom Preis einmal abgesehen, sind doch Klang und Spielbarkeit. Da spielt es doch eine untergeordnete Rolle, ob ich die Gitarre stimmen muss, wenn ich sie aus dem Etui nehme und ob ich ein wenig oder ein wenig mehr an der Mechanik schraube. Wenn ich während des Spielens nachstimmen muss, sind oft Raumeinflüsse Temperaturschwankungen und noch weitere Ursachen, die ich nicht kenne, dafür verantwortlich. Ich möchte dazu einladen dem Kriterium Stimmstabilität nicht so eine hohe Priorität zu geben. Wir wissen doch: Der Gitarrist stimmt immer, die Gitarre stimmt nie.
Stimmstabilität ist ein Schicksal, mit dem alle Saiteninstrument mehr oder weniger zu kämpfen haben. Knüpftechnik und vordehnen kann diesen Prozess deutlich verkürzen. Profis schaffen es sogar, dass ihre Gitarre so bereits nach wenigen Stunden wieder spielbereit ist, vorausgesetzt der Bezug wird Saite für Saite identisch gewechselt. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Stimmung dann mehrere Tage lang über Nacht trotzdem noch gemeinsam absinkt.
Nylon Diskant braucht normalerweise 2-3 Tage bis er sich stabilisiert hat, behält aber leider eine gewisse Instabilität z.B. gegenüber Temperaturschwankungen und Feuchtigkeitsaufnahme. Deswegen stimme ich im Normalfall erst nach dem Warmspielen, vorausgesetzt sie ist nicht zu verstimmt. Was die Lebensdauer betrifft, überlebt der Nylon Diskant die Bässe i.d.R. deutlich.
Carbon Diskant braucht da deutlich länger, wie oben bereits vermerkt. Er zieht sich deutlich mehr und länger als Nylon und vor mindestens einer Woche Spieldauer sollte man auch klanglich kein abschließendes Urteil fällen. Klingt abschreckend, wird danach aber mehr als kompensiert, da der Carbon Diskant weitgehend stimmstabil bleibt, bedeutend unempfindlicher gegenüber Umwelteinflüssen ist und quasi „ewig“ hält, wenn er sich erst mal stabilisiert hat!
Das Extrembeispiel unter diesem Aspekt sind die Aquila Saiten. Die ziehen sich sprichwörtlich „wie Gummi“, belohnen dann aber mit vergleichbaren Qualitäten wie Carbon.
Ansonsten kann ich mich Manfreds Schlußbemerkung voll und ganz anschließen!
Das ganze Konzept "Stimmstabilität" bereit mir Probleme. Selbst Profis müssen nachstimmen, ich habe noch kein (!) Konzert erlebt, in dem die Auftretenden nicht ab und zu nachjustieren mussten. Luftfeuchtigkeit, Raumtemperatur (Heizung an, Heizung aus), Belastung beim Spielen, mal ein paar Tage nicht spielen....Es fällt mir schwer zu sagen, wann Saiten diesen Zustand der Stimmstabilität (also alle Saiten immerzu "spot-on") jemals erreicht haben. Geht es dann nicht eigentlich um einen Zustand, dass neue Saiten sich von einem Tag zum anderen um weniger als einen halben/viertel/achtel Ton verstimmen? Und ist dann die Festlegung, wann Saiten wirklich stimmstabil sind, nicht komplett willkürlich?
Harald hat es ja geschrieben, Saiteninstrumente müssen immer nachstimmen. Die Frage ist halt, wieviel.
Wir Gitarristen sind eigentlich ganz gut dran. Ich habe mal ein Konzert vom Concerto Köln gehört, alle Streicher mit Darmsaiten, im Winter. Die haben nach jedem Satz nachgestimmt, alle. Die hohen Streicher haben auch zwischendurch nochmal nachjustiert. Seitdem bin ich da echt entspannt.
Es sind ja tatsächlich 2 Begriffe, die nicht näher definiert sind:
1) Was ist Stimmstabilität, also ab welchem Grad des Nachstimmaufwandes gilt diese als erreicht, und 2) was ist vor dem Hintergrund des persönlichen Klangideals die Klangqualität, die sicher ja für jeden von uns ganz anders beschrieben werden muss.
Es kommen sicher noch ein paar mehr Faktoren bezüglich der Wahrnehmung einer (abnehmenden) Klangqualität hinzu: ich welcher akustischen Umgebung wird gespielt, wieviele Instrumente werden gespielt und natürlich, wie sich der Hörsinn im Älterwerden entwickelt
Sehr bemerkenswert finde ich persönlich Bernd Hoffmanns Aussage von früher einmal, er würde Diskantsaiten bis zu 3 Jahren spielen, und Haralds Anmerkung, dass die Basssaiten noch vor den Diskantsaiten gewechselt würden.
Persönlich erlebe ich das ganz anders, Diskantsaiten wechsele ich fast monatlich noch vor den Basssaiten.
Wirklich sehr interessant die sehr unterschiedlichen Vorgehensweisen kennenzulernen. Also ich mache es genauso wie Harald. Diskantsaiten wechsele ich halb so oft wie Basssaiten. Natürlich hängt es davon ab, wieviel man spielt, aber 3 Jahre für Diskantsaiten.... das habe ich noch nie gemacht.
Der Begriff „Stimmstabilität“ ist mMn keine gute Wortwahl, weil der etwas suggeriert, was es so nicht gibt. Keine Musiksaite ist jemals absolut stimmstabil. Bei jeder (!) Musiksaite stellt sich unter Spannung/Stimmung nur ein mehr oder weniger labiler (!) Gleichgewichtszustand ein. Dabei hängt die Dauer dieses Vorgangs von vielen Faktoren ab, vor allem aber davon, wie drastisch die Zustandsänderung ist. Daher würde mMn der Begriff „setzen“ besser passen, analog dem englischen „settle“. Etwas, was wir tagtäglich neu erleben, wenn die Gitarre umgestimmt wird und die Saiten sich erst wieder neu „setzen“ müssen! ;-)
Was die Haltbarkeit des Diskants betrifft, so hängt das u.a. auch entscheidend vom Material ab. Nylon erweist sich da deutlich anfälliger in Bezug auf z.B. Bundkontakt oder rauhe Nagelkanten. Bei Carbon ist es sogar eher umgekehrt. Carbon-Diskant „frisst“ Nägel und sogar Bünde, vor allem in der HT Ausführung. Daher verwundert es nicht, dass Carbon i.d.R. auch deutlich länger hält, wobei 3 Jahre schon rekordverdächtig sind!
Nylon verliert auch eher seine Klangqualität als Carbon. Da unser Ohr aber kein objektives Beurteilungsorgan ist, fällt es auch mir häufig schwer zu beurteilen, wer von uns beiden, meine Gitarre oder ich oder sogar beide, einen schlechten Tag erwischt haben. Als Saitenvielwechsler komme ich da selten an die Materialgrenzen!
Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Wenn du die Gitarre aus dem Etui, von der Wand oder aus dem Ständer nimmst, prüfst du die Stimmung. Es gibt immer was zu korrigieren. Interessanter als die sogenannte Stimmstabilität ist die Haltbarkeit. Sie korreliert häufig mit dem Preis, sodass die teure Saite häufig gar nicht teurer ist. Manche kosten doppelt so viel und halten dreimal oder viermal so lange. Das ist meine Erfahrung mit Saiten aus Deutschland, aus Frankreich und aus Italien. Spanien und USA nicht zu vergessen. Liebe Grüße Manfred
Alle glatten Diskantsaiten werden im Laufe des Spielens rau. Das beginnt sogar relativ schnell. Dass Carbonsaiten härter sind und "Bünde fressen" kann ich bestätigen, stört mich aber nicht. Raue Saiten sind mir ein Gräuel, weswegen auch Carbonsaiten nicht länger auf der Gitarre sind als die Bässe. Die Haltbarkeit von Basssaiten variiert stark, je nach Material und Hersteller und Stärke. Ich suche immer noch gute umsponnene g-Saiten, die Pyramid sind schnell fertig.
Bei Delcamp berichtet jemand davon, nach dem Spielen die Diskantsaiten mit 12.000er Micromesh zu glätten, als Antwort auf die Nagelspuren. Auch ne nette Idee.
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01.04.2023 08:04
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