Abgesehen von der eindeutigen Rechtslage, fällt mir eine genauso eindeutige "moralische" Beurteilung schwer. Grundsätzlich zahle ich gerne für Noten, da ich die Arbeit darin zutiefst respektiere.

Aber in manchen Fällen bin ich etwas "angefressen" und mag das Kopier- und Downloadverbot nicht einsehen, z.B.

Ich suche ein ganz bestimmtes Stück und finde es in einer Anthologie. Die übrigen Stücke in dieser Zusammenstellung interessieren mich nicht, ich muss sie trotzdem (mit-)bezahlen.
Dicke, konventionell gebundene Ausgaben sind sehr "Notenständer-unfreundlich".
Gerade von Albeniz oder Granados gibt es Bearbeitungen wie Sand am Meer, die sich kaum voneinander unterscheiden. Hier machen die Bearbeiter ziemlich billig Kasse.
Manche Ausgaben sind nicht mehr im Druck und schwer zu finden, stehen aber in der örtlichen Bibliothek.

Vielleicht fallen Euch noch andere Gelegenheiten ein, in denen die Versuchung zumindest verständlich ist.

Notenausgaben über mehrere Seiten, bei denen ich sonst beim Spielen blättern müsste...

Es gibt leider auch schlechte und musikerunfreundliche Ausgaben. Dicke Ausgaben in Klebebindung sind eindeutig furchtbar. Ohne Rückenbruch sind die Sachen kaum zu benutzen, und mit gebrochenem Rücken fliegen einem die Blätter um die Ohren.

Oder: Ich habe hier ein dünnes Heftchen mit zwei zweiseitigen Stücken von Lauro. Hier wurde ein Bogen Papier gespart und ich muss jedes Stück blättern. Bei zwei Seiten! Das ist indiskutabel. Wenn ich ohne Spielkopie nicht auskomme, brauche ich auch keine teure Ausgabe bezahlen. Und die VGM droht mir, wenn ich kopiere. Sowas sind Dinge, die die Leute in die Grauzone treiben und die Verlage jammern hinterher.

Unnett sind Ausgaben, die von den Verlagen im Laserdruck angeboten werden. Hochweißes Laserdruckpapier, zuviel Glanz auf Papier und Notenbild – da könnte ich auch selbst kopieren. Wenigstens beim Papier kann ich etwa Sorgfalt erwarten.

Zur VGM: ich habe beruflich mit Musikverbänden zu tun. Es gab ausgiebige Verhandlungen zum Thema kopieren. Beispiele sind z.B. Auftritte unter freiem Himmel, bei dem die Leute ihre teuren Noten nicht auf den Ständer in den Regen stellen wollen, oder kleinkopierte Noten für die Notengabel bei marschierenden Bläsern. Oder zusammengeklebte Notenblätter, damit man bei sechs oder acht Seiten ohne Blättern auskommt. Gerade als Zupfer hat man selten eine Hand frei, und ein Blätterer ist bestenfalls bei Pianisten üblich. Selbst wenn die Noten bei den Musikern vorhanden sind, ist die VGM stur geblieben und hat auf einem generellen Kopierverbot bestanden. Wenn es aber ohne Kopien nicht geht, wird entweder keine Musik mehr gemacht weil es nicht mehr praktikabel ist, oder aber man kauft nur noch eine Ausgabe und kopiert den Rest, weil man sich ohne hin strafbar macht. In dem Fall kann man das auch billiger haben.

Ärgerlich finde ich auch Ausgaben, bei der die einzige Leistung des Herausgebers ein Vorwort ist (wenn überhaupt), innen finden sich weder Fingersätze noch editorische Anmerkungen am Schluss.

Ebenfalls ein Ärgernis sind Noten, die schlecht gesetzt sind. Der digitale Notensatz verführt dazu, schnelle Ausgaben rauszuhauen. Aber Notensatz ist Handwerk und Kunst zugleich. Richtige Blätterstellen, Übersichtlichkeit, Lesbarkeit – alles Dinge, die man lernen muss. Zunehmend finde ich Ausgaben, bei denen ich mich frage warum sie schlechter lesbar sind als andere, obwohl sie ähnlich aussehen, und letztlich ist es z.B. die Größe der Notenköpfe, der Abstand der Noten zueinander, die Taktbreite usw. usf. Ganz viele Kelinigkeiten, die aber ein Gesamtbild beeinflussen. Notensetzer war mal ein Beruf, genau wie Schriftsetzer, aber das ist ja sowas von vintage … ;-)

Aber fliegende Blätter finde ich ebenfalls furchtbar. Man findet nichts wieder, es fällt schnell runter …

Die VGM schickt, genau wie die GEMA, anonyme Zuhörer/Zuschauer in Konzerte. Das ist der Grund, warum professionelle Solisten und Orchester IMMER aus Originalen spielen. Entweder als Leihmaterial oder Kaufversionen. Im Laienmusikerbereich ist das vermutlich kaum zu organisieren, aber das weiß ich nicht. Allerdings wird dort auch kein Geld verdient.

Anscheinend ist die VGM noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen. Ich scanne z.B. alle Stücke, die ich spielen möchte, von legal erworbenen gedruckten Notenblättern, damit ich sie auf mein Tablet transferieren kann, um mit dem Pedal umblättern zu können. Und das tue ich mit gutem Gewissen, weil ich die Originalnoten vorweisen kann.

Hmm, das wäre vielleicht so etwas wie das "private Archiv", das im Gesetz genannt ist.

Ich kaufe gerne Noten, wenn damit eine gewisse Qualität in Optik, Aufbereitung und ggf. noch ergänzenden Hinweisen als Mehrwert einhergeht. Oder mich die Zusammenstellung ansich anspricht, wie z.B. "Best of Classics, Barock etc."

Bin erst gerade wieder der Verlockung erlegen und habe mich über das kostenlose Downloaden des gesamten Opus 241 von Carulli bei Musescore in der gewohnten, superklaren Notenschrift gefreut. Um dann festzustellen, dass davon kaum ein Werk ohne Fehler war, teilweise wirklich eklatante Fehler. Da konnte man nur noch die Löschtaste bedienen.

Ich schmöker jedoch auch sehr gerne in den alten Originalausgaben, die man bei IMSLP so findet und benutze die auch ab und an.

Salut,
ich kaufe auch gerne Noten, zum einen, weil ich gerne Dinge in der Hand halte zum anderen weil ich die Arbeit derer honorieren möchte, die Ihre Zeit darin investieren, Musik zu schreiben oder alte (inzwischen gemeinfreie) Musik zu sichten, zu sortieren, sinnvoll auszuwählen und (durch Fingersätze, Anmerkungen etc) zu ergänzen.
Gleichzeitig mag ich es, im Internet nach Alternativen zu suchen oder Stücke erstmal zu sichten bevor ich sie kaufe oder Noten zu finden, die gar nicht im Handel erhältlich sind.

Gerade wegen der guten Verfügbarkeit gemeinfreier Musik im Internet liegt es dann natürlich am jeweiligen Verlag/Händler, vernünftig mit der Zeit zu gehen, beim von Dir verlinkte Notenheft machen das Verlag und Händler m.E. vorbildlich: man bekommt Auszüge zu sehen und das Inhaltsverzeichnis. Vor allem lassen sich einzelne Stücke zu einem vernünftigen Preis als PDF kaufen (und auch da gibt es jeweils eine Voransicht), wenn man also wirklich nur eins davon spielen will, braucht man gerade nicht das ganze Heft kaufen und 2 EUR sind nun wirklich kein Hindernis.

Auf der anderen Seite sind auch gekaufte Noten kein Garant für ordentliche Arbeit oder Fehlerfreiheit, gerade bei Schott habe ich da schon entsetzliche Erfahrungen gemacht. Wobei im speziellen Fall der "Romantischen Miniaturen" einer der beiden Bearbeiter (B. Szordikowski) jemand ist, dessen Kompositionen ich durchaus schätze, ich nehme also an, dass dieses Heft solide ist.

Gruß
Sascha