Hallo , Kaum eine Gitarrenwerbung , kommt ohne den Begriff Projektion aus. Ich muss dann immer an meinen alten Dia- Projektor denken, mit dem ich Bilder an die Wand projiziert habe. Die Gitarre soll gleichsam Töne ins Auditorium projizieren und auch entferrnte Zuhöhrer erreichen. Wie macht sie das, welche Tonfrequenzen sind wichtig. Wie sind eure Erfahrungen als Spieler und als Hörer ? Oder ist das alles nur Marketing, und Raum und Bühne sind ausschlaggebend? Gruß Burghard
Burghard Hänisch (@burghard_haenisch) • Instagram-Fotos und -Videos
Keine Ahnung, wie sie das machen, aber dass es das gibt und es sich hierbei nicht um bloße Einbildung handelt, kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.
Ich war und bin wahrscheinlich immer noch ein relativ unbedarfter Hobby-Spieler, der sich einmal eine für sein „Können“ eigentlich viel zu gute Gitarre gegönnt hat.
Als ich mit dieser Gitarre bei einem Gitarrenseminar war, äußerte der in einigem Abstand sitzende Ensemble-Leiter schon bei der Stimmrunde sein Entzücken, wie ihn meine Kohno „anstrahlt“. Damit konnte ich erst mal nichts anfangen, bis ich meinen Sohn in einiger Entfernung darauf spielen gehört habe. Die Töne standen förmlich in der Luft. Ausgeglichen und trennscharf, selbst bei den Bässe, die eigentlich deutlich weniger fokussiert abgestrahlt werden.
Eine Quartett-Mitspielerin mit einer mächtigen Bernabe M50, die sie mal probierte, zeigte sich hingegen etwas enttäuscht über den Klangeindruck, vornehmlich die Lautstärke für den Spieler, obwohl sie bei allen Ensemble-Aufnahmen dominant war. Selbst bei denen eines über 30-köpfigen Gitarrenorchester war sie trotz Bassstimme (!) klar und deutlich herauszuhören.
Das könnte vielleicht damit zusammenhängen, was mich an ihr unmittelbar fasziniert hat. Der Klang scheint nicht aus dem Inneren des Korpus, sondern von einem Fokus knapp außen vor dem Schallloch zu kommen!
Wie gesagt kann ich außer dieser persönlichen Erfahrung nichts dazu beitragen, wie das funktioniert und wie sie das machen. Aber Projektion ist eine reale und für den konzertierenden Gitarristen wichtige Eigenschaft, die insbesondere bei den neuen Techniken im Gitarrenbau stark im Fokus der Entwicklung steht.
um weiteren Input zu deiner Frage nach der Projektion zu geben, aber auch generell über das Thema Gitarrenklang zu informieren, möchte ich gerne ein Vortragsskript der sehr renommierten und bekannten Gitarrenbauerin Angela Waltner aus Berlin hier veröffentlichen. Der Titel ist "Aspekte des Gitarrenklangs - Die Klangerzeugungskette vom Spieler zum Hörer, Aufbau und Funktion der Gitarre, Klang und Qualitätsparameter der Gitarre". Für mich ist es ein wirklich sehr gutes Dokument über all jene im Titel angesprochenen Parameter. Die Aspekte der Projektion (im Skript "Tragfähigkeit" genannt) werden darin ebenfalls beschrieben. Ich habe mir von Angela Waltner die Erlaubnis eingeholt, dies hier im Forum veröffentlichen zu dürfen.
Darüberhinaus freut es mich besonders, Angela Waltner hier als Mitglied im Forum begrüßen zu dürfen. Sie hat sich angemeldet, es ist uns eine große Freude und Ehre!
Viele Grüße Peter
Peter
hat folgende Dateien an diesen Beitrag angehängt
Vielen Dank Peter, diesen Artikel kenne ich. Sehr interresant. Wollte dieses Thema ins Forum bringen. Es gibt ja so viel Erfahrung und Kompetenz hier und jetzt noch einmal mehr.
Viele Gruße Burghard
Burghard Hänisch (@burghard_haenisch) • Instagram-Fotos und -Videos
Ich habe den Artikel noch nicht komplett gelesen. Projektion ist mir auch eher als Tragfähigkeit ein Begriff, und das ist ein sehr interessanter Aspekt bei Instrumenten. Ich habe hier ein paar Gitarren zur Hand. Tatsächlich ist die, die mir als Spieler nicht sooooo viel Freude macht , das Instrument mit der besten Tragfähigkeit. Andere mögen „schöner“ klingen oder lauter. Aber diese ist immer durchhörbar und trägt weit, auch leise gespielt. Für den Spieler selbst mag sich das anders darstellen.
Danke für den Text, der für mich als Laien und Amateur einges erklärt, aber auch Fragen aufwirft. Die Grundaussage ist ja - stark vereinfacht - : Projektion ist als Eigenschaft der Gitarre maßgeblich für den/die Konzertierende/n, da sie darüber entscheidet, was der/die Zuhörer/in in der letzten Reihe hört oder eben nicht hört. Im Text wird - wenn ich ihn an der Stelle richtig verstanden habe - gesagt, dass die Zuhörenden zwei Dinge hören: 1. den Direktschall, der vom Instrument ausgeht. 2. Die Reflexion, also das, was der Raum mit dem Klang der Gitarre macht. (Wahrscheinlich ist es nicht ganz leicht für das ungeübte Ohr, das zu unterscheiden) Nachvollziehbar ist, dass der Spieler dem Direktschall eher nicht ausgesetzt ist (Ob und inwieweit ein Zargenloch das kompensieren kann, weiß ich nicht). Allerdings trifft das für die Reflexion nicht zu; da ist er selbst Teil der Hörergemeinschaft, sofern er sich im gleichen Raum befindet (natürlich hört jeder, je nach der Position im Raum nicht dasselbe) . Die Bedeutung der Reflexion kennt sicher jeder Amateurspieler , der in der Wohnung mal den Raum zum Gitarrenspiel gewechselt hat. Wenn "Projektion" nun lediglich zur Bezeichnung des Direktschalls und dessen Wirksamkeit beim Hörerenden dienen soll, ist die obige Aussage aus meiner Sicht absolut zutreffend. Wenn die Projektionsfähigkeit einer Gitarre aber auch auf den - ich nenne es jetzt mal Raumklang - Einfluss hat, wäre die Bedeutung der Projektionsfähigkeit über die Konzertierenden und sein Publikum hinaus doch nicht unwesentlich, weil sie doch im gewissen Maße immer Teil meiner Hörerfahrung als Spielender ist. (?) Falls da irgendwo ein Gedankenfehler oder eine ungenaue Verwendung der Begriffe vorliegen sollte, bitte ich um Nachsicht.
Projektion hängt ganz natürlich mit dem (Gesamt-)Raumklang zusammen, da eine Gitarre mit schlechter Projektion den Raum weniger stark zu Schwingungen anregt, wie eine mit einer guten Projektion.
Das ändert aber nichts daran, dass Projektion in diesem Themenzusammenhang als eine isolierte Eigenschaften der Konzertgitarre diskutiert wird, denn nur auf die hat der Gitarrenbauer Einfluss.
Sie ist vorwiegend für konzertierende Gitarristen, aber z.B. auch für Ensemblespieler interessant.
Wenn dann aber der Konzertsaal „schlecht klingt“, macht eine Gitarre mit guter Projektion das kaum wett. Die Zuschauer hören vielleicht nur mehr davon!
Schon der gute Antonio de Torres erkannte genau den Faktor Projektion und die Bedeutung der Decke hierfür. Seine FE04 La Leona erlangte wegen ihrer großen Projektion Berühmtheit und ihren Namen nach dem Motto Gut gebrüllt Löwe😁🎸 im übrigen: auch mir gefielen beim antesten im Laden Gitarren sehr gut, die aber anscheinend keine gute Projektion hatten, während mich Gitarren mit guter Projektion nicht so gefielen. Aber es ist ja bekannt: der Spieler hört die Gitarre anders als das Publikum.
Zitat von Harald im Beitrag #8Wenn dann aber der Konzertsaal „schlecht klingt“, macht eine Gitarre mit guter Projektion das kaum wett. Die Zuschauer hören vielleicht nur mehr davon!
Dann würde aber eine Gitarre mit guter Projektion in einem Raum mit guter Akustik nicht nur das Publikum erfreuen, sondern eben auch den Spieler beglücken (letzteren im Prinzip sogar ohne Publikum). Was mich noch interessiert, ist, ob zumindest ungefähr bestimmbar ist, aber wann die Projektionsfähigkeit einer Gitarre "wirksam" wird. Praktisch beschrieben: Ich nehme einen hörerfahrenen Bekannten mit in ein Gitarrengeschäft, der sich 4-5 Meter (mehr ist in der Regel nicht realisierbar) positioniert. Kann der zuverlässig über die Projektionsfähigkeit des gespielten Instruments Auskunft geben. Als ich vor Jahren in Nürtingen bei einem Gitarren-Contest dabei war, haben sich die Gitarrenbauer - in meiner Erinnerung . etwa 10 Meter von der Bühne bzw. dem Spieler entfernt positioniert.
Zitat von Gitarrenmichel im Beitrag #10Dann würde aber eine Gitarre mit guter Projektion in einem Raum mit guter Akustik nicht nur das Publikum erfreuen, sondern eben auch den Spieler beglücken (letzteren im Prinzip sogar ohne Publikum).
Forum-Klassikgitarre.de
Thema drucken
06.07.2023 08:52
Antworten
VortragSkript Angela Waltner.pdf
