Morgen, da ich gerade so ein bisschen durch Gitarrengeschäfte ziehe und ausprobiere sind mir inzwischen mal einige Dinge untergekommen, die man so noch nicht häufig sieht, die aber auf den ersten Blick ziemlich Sinn zu machen scheinen, zum Beispiel - elevated fingerboard ( -> leichteres Greifen für Spielen ab dem 12. Bund) - direkt verbaute Unterarmstütze - Monitorloch in der Zarge
Wie seht Ihr das ? Ist die Gitarre ausentwickelt und solche Neuentwicklungen nur Schnickschnack zur Kundenblendung oder ist man selber schuld (oder gar dumm), wenn man die Annehmlichkeiten moderner Gitarrenbaukunst verschmäht und noch ein traditionell gebautes Instrument kauft (um mal zwei Extrempositionen zu benennen).
Gruß Sascha
Nachtrag: noch ein paar Features, die ich gerade erst bei Belluci-Gitarren entdeckt habe - indented cutaway - Saitenbefestigung wie bei einer Geige
Deine aufgezählten Features sind meines Erachtens alles andere als Schnickschnack und Kundenblendung. An meiner hanika habe ich keines dieser Features aber mindestens das elevated fingerboard wäre für mich, als ich das Modell vor zwei Jahren erworben habe, ein aussschlaggebendes Argument gewesen, anstelle meiner treuen Gitarre vielleicht ein anderes Modell mit dem erhöhten Griffbrett zu erwerben, sofern ich damals davon gewusst hätte. Auch, wenn ich gestehen muss, dass ich auf den modernen Klang von klassischen Gitarren stehe. (Bitte nicht falsch verstehen, ich bewundere die traditionelle Bauweise und schätze sie sehr aber ich bin auch offen für Neuerungen an der Gitarre)
Das erhöhte Griffbrett erleichtert das Greifen in hohen Lagen. Das Loch in der Zarge erlaubt dem Spieler das zu hören, was der Zuhörer hört. Die abgeflachte Zargenkante erspart die Armstütze Alles nützliche aber letztlich nicht zwingend erforderliche Veränderungen. Die Alten kamen ohne aus.
Die Alten kamen auch ohne Zentralheizung, Autos und Rechtschreibregeln aus. Ich finde alle drei genannten Neuerungen klasse. Natürlich sind sie nicht zwingend, aber ich empfinde sie durchaus als Mehrwert. Auch ein 12-Loch-Steg ist klasse. Weniger klanglich als im Handling.
Ein Saitenhalter wie bei Streichern ist allerdings wenig sinnvoll, da weniger Druck auf der Decke erzeugt wird. Bei der Konzertgitarre hat sich das zu Recht nicht durchgesetzt. Ich meine, Dieter Hopf hat das zum letzten mal versucht, ohne nennenswerten Erfolg. Früher gab es das schon öfter.
Nur am Rande, nicht alle Features sind unbedingt neu: Der von Bellucci "the tiger" gefeierte "indented cutaway" befindet sich seit ca. 10-15 Jahren mindestens so ähnlich auf dem Modell "Artist Gentle Touch" von Cornelia Traudt. "Eingearbeitete Hohlkehle" klingt natürlich deutlich profaner. Aber unbestreitbar gibt es sinnvolle und auch gefällige (muss ja nicht alles im nützlich sein) Neuerungen.
Zitat von Gitarrenmichel im Beitrag #6Nur am Rande, nicht alle Features sind unbedingt neu: Der von Bellucci "the tiger" gefeierte "indented cutaway" befindet sich seit ca. 10-15 Jahren mindestens so ähnlich auf dem Modell "Artist Gentle Touch" von Cornelia Traudt. "Eingearbeitete Hohlkehle" klingt natürlich deutlich profaner. ...
Die Hanika Classic Cut CC hat dies ebenfalls schon seit vielen Jahren.
Ein interessantes Thema! Ist die Klassikgitarre ausentwickelt? Aus meiner Sicht definitiv nein! Wenn man mal den Blick zurück richtet, dann gab es immer wieder größere oder kleinere Neuerungen, die aber meist leidenschaftliche Diskussionen ausgelöst haben, ob sie sinnvoll sind. Dazu zählen die Einführung von Nylonsaiten und später Carbonsaiten, die Verwendung von Zederholz für die Decke (gibt es noch gar nicht sooo lange), etc. Viele Klassikgitarristen/-innen sind dabei durchaus konservativ. Romanillos z.B. hat die Verwendung einer Zederdecke strikt abgelehnt ("Zederholz kann man nur zum Dachdecken verwenden"). Einiges hat sich durchgesetzt, einiges kann man machen, muss man aber auch nicht, wie oben schon gesagt wurde.
Meine Erfahrungen zu den angesprochenen Features sind: - elevated fingerboard: macht absolut Sinn, manchmal ist der Korpus aber sehr extrem abgesenkt, das gefällt mir dann optisch nicht mehr. - Zargenschalloch: hier gab es schon hitzige Diskussionen über die Sinnhaftigkeit und die möglichen negativen Auswirkungen der Schallausbreitung nach vorne. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Ausbreitung nach vorne nicht negativ beeinflusst wird. Für den Spieler (viele von uns spielen meist für sich ohne Zuhörer!) ist es ein Gewinn, ich habe es an einigen Gitarren und finde es klasse. Kann man auch manchmal abdecken, wenn man es nicht mehr will. Allerdings: bei den Arten von (sehr großem) Zargenschallloch, die ein Schalloch in der Decke komplett ersetzen (durchgehende Decke), habe ich deutliche Klangeinbußen wahrgenommen. - eingebaute Unterarmstützen: hier gibt es die optisch sehr schöne Abflachung (Bevel) sowie den Aufbau einer Holzleiste. Beides macht Sinn, die Holzleiste sollte sich aber für mich gut in das Gesamtbild integrieren (tut sie leider manchmal nicht).
Man könnte auch noch Double-Top-Gitarren und Lattice-Gitarren als Neuerungen bezeichnen. Viele lehnen sie ab, oft auch Gitarrenbauer. Der Hauptkritikpunkt ist dabei der Verlust der Klangqualität zugunsten des Volumens. Bei Latticegitarren sehe ich dies genauso (mir gefällt auch der Sound der Redgate-Lattice von Ana Vidovic nicht genausowenig wie Smallmans). Bei Doubletops gibt es ganz mE tolle Ausnahmen, die sehr leicht spielbar, lauter und sehr klangschön sind (z.B. Michel Brück, Dieter Müller). Leider sind diese oft nicht ganz billig.
Fazit: die Klassikgitarre wird sich definitiv weiterentwickeln, allein die Auswahl der Boden- und Zargenhölzer ist bereits im Wandel begriffen aus Artenschutzgründen.
Zitat von Sascha im Beitrag #1 Wie seht Ihr das ? Ist die Gitarre ausentwickelt und solche Neuentwicklungen nur Schnickschnack zur Kundenblendung oder ist man selber schuld (oder gar dumm), wenn man die Annehmlichkeiten moderner Gitarrenbaukunst verschmäht und noch ein traditionell gebautes Instrument kauft (um mal zwei Extrempositionen zu benennen).
Ich glaube die Gitarre kann und wird man immer weiterentwickeln. Ob diese dadurch besser wird oder im Extremfall vielleicht sogar zu einem neuen Instrument liegt wahrscheinlich im Auge des Betrachters. Ich hatte z.B. einmal die Gelegenheit eine Latticegitarre eines australischen Luthiers zu spielen. Das war für mich vom Klang her eher eine Elektrogitarre als eine klassische Gitarre. Sehr einfach zu spielen, sehr laut, aber vom Klang her ein anderes Instrument. Der Soundport ist vielleicht für den Spieler selbst eine tolle Sache, aber ist er auch gut für die Zuhörer? Ich glaube jeder muss selbst entscheiden, welche neuen (und vielleicht auch alten, wie z.B. der Tornavoz oder Stimmwirbel) "Features" an einer Gitarre für ihn das Richtige ist.
Ich spiele eher Stücke aus dem 19. Jahrhundert, da bevorzuge ich eine im Äußeren und Klang traditionelle Gitarre. Für moderne Gitarrenmusik ist aber vielleicht eine "moderne" Gitarre die bessere Wahl. Es spricht ja auch nichts dagegen mehrere Gitarren zu besitzen.
Ich spiele eher Stücke aus dem 19. Jahrhundert, da bevorzuge ich eine im äußeren und Klang traditionelle Gitarre. Für moderne Gitarrenmusik ist aber vielleicht eine "moderne" Gitarre die bessere Wahl. Es spricht ja auch nichts dagegen mehrere Gitarren zu besitzen.
Ich glaube, für die meisten hier gilt eher, dass nichts dafür spricht nicht mehrere Gitarren zu besitzen
Ich habe eine monogame Beziehung zu meiner Gitarre. Es ist eine Art von musikalischer Symbiose. Weil ich sie so oft spiele, wird die Gitarre und der Spieler immer besser
Zitat von jozef im Beitrag #12Ich habe eine monogame Beziehung zu meiner Gitarre.
Ich auch. Zu jeder einzelnen. Ich spiele immer nur auf einer.
Im Ernst, ich finde es toll, wenn man es schafft mit einer Gitarre glücklich zu werden. Für mich klingen sie so unterschiedlich, dass ich mich nicht einschränken möchte. Einige sind auch wieder gegangen, meist aus praktischen Überlegungen.
Hi, über den ganzen Gimmiks sollte man nicht vergessen,,das die Gitarrenbaukunst ganz allgemein extrem vorangekommen ist. Zargenschalloch : stört mic nicht, finde ich optisch nicht so gelungen, erinnert mich, ähnlich wie der Fagott-Abschluß aus Elfenbein, eher an Artikel aus dem Sanitärbereich, hat aber schon Auswirkungen, zu meiner Überraschung, auf die Projektion, und, wenn verschlossen, ändert sich auch wahrnehmbar der Klang (auch für den Zuhörer, nicht nur für den Spieler). Erhöhtes Grfiffbrett : Wurde aus akustischen Gründen (Änderung des Halswinkels) "erfunden". Bei genauem Hinsehen nicht immer ästhetisch gelungen, der Korpus hängt oft in einem grotesken Winkel am Hals. Ich habe 5 Gitarren von der Sorte, sie sind laut und glücklicherweise auch recht wohlklingend, die erleichterte Spielbarkeit, die meist als Hauptargument genannt wird, kann ich für mich nicht bestätigen. Wie schon gesagt, finde ich aber die allgemeine Qualitätszunahme im Gitarrenbau und die große Diversität im Klang viel bemerkenswerter, da hat Romanillos großen Anteil mit seinen Baukursen. Er hat die Spanischen Bauweise und den "spanischen" Klang zurückgeholt, und fas alle der heute echt angesagten Gitarrenbauer hatten irgendwie Verbindung zu ihm. Jörg
Einen wie ich finde optisch schöner aussehenden Weg beim Soundport geht Amano, es werden ca. 45 kleine Löcher in einem leicht welligen Muster an der Zarge platziert.
Da ich das rechtlich korrekte Verlinken nicht überblicke (deap links), bitte selbst nach Amano Soundport Edition z.B. bei Der Gitarrenladen googeln.
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07.09.2023 11:10 (zuletzt bearbeitet: 07.09.2023 11:37)
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Ich finde alle drei genannten Neuerungen klasse. Natürlich sind sie nicht zwingend, aber ich empfinde sie durchaus als Mehrwert. Auch ein 12-Loch-Steg ist klasse. Weniger klanglich als im Handling. 
