Liebe Forumsmitglieder,

in diesem Thread möchte ich gerne mal einer Frage nachgehen, die mich schon immer beschäftigt hat und euch auf diese Spurensuche mitnehmen.
Ich lese immer wieder z.B. in Verkaufsanzeigen für klassische Gitarren, dass das Instrument einen „typisch spanischen Klang“ hätte. Ich merke dann regelmäßig, dass ich in ein kleines Verständnisloch falle, denn ich kann mir dann einfach nicht genau vorstellen, wie dieses Instrument nun klingen soll. Der „typisch spanische Gitarrenklang“ – und damit ist natürlich nicht der Flamencoklang gemeint – wie soll denn der sein? Oder ist das nur ein Verkaufsmythos?

Klar, erst mal gegoogelt, aber da kommt eigentlich gar nichts, nur Beschreibungen von spanischen Gitarren oder klassische Gitarren vs. Flamencogitarren.

Also habe ich mich auf eine Spurensuche begeben…..mit dem Ziel genau herauszufinden, was denn der „typisch spanische Gitarrenklang“ ist. Und wenn mal schon mal bei dem Thema ist: gibt es denn einen „typischen französischen, englischen, deutschen oder japanischen Gitarrenklang“? Aber dazu mehr unten.

Ich erinnere mich, dass mein guter Bekannter Miles Roberts von Kent Guitar Classics genau zu diesem Thema einmal ein Video auf YouTube erstellt hat. Leider ist Miles seit einiger Zeit im Ruhestand, seine Website ist abgemeldet und er hat offensichtlich auch alle seine YouTube-Videos vom Netz genommen. Was für ein Verlust! Ich versuche mich zu erinnern, was denn nun das Fazit aus seinem Video war, ich meine es war gar nicht so eindeutig…

Nun, dann eben weiter. Für derartige Fragen ist das weltweite Delcamp-Forum immer sehr ergiebig, weil natürlich genau solche Fragen oft in Foren gestellt werden. Und siehe da: es gab schon einige Threads dazu, Seiten über Seiten über Seiten…..Es dauert Stunden, dies alles zu lesen und nachzuvollziehen.
Und dann gibt es ja auch noch dieses tolle Orfeo-Gitarrenmagazin, in dem ja auch immer die Luthiers einzelner Länder oder Regionen vorgestellt werden. Auch hier suche ich mir die einschlägigen Bände raus und lese nach – und staune immer wieder aufs Neue über die tollen Bilder darin.

So, nun aber genug der Einleitung, was sind denn nun meine Erkenntnisse?
Klangbeschreibungen sind fast so schwierig wie die Beschreibung des Geschmacks von Weinen. Ich lese, dass es fast so viele Meinungen darüber gibt, was denn der typische spanische Klang sei wie Beiträge. Manche sind der Meinung, der spanische Klang rührt in erster Linie von den Stücken her, die gespielt werden, eben eher spanische Stücke mit bestimmten Klang- und Akkordabfolgen. Andere wiederum sind der festen Meinung, dass es vor allem vom Spieler abhängt, ob etwas spanisch klingt, so seien die Stücke von Segovia auf seiner berühmten Hauser I von 1937 der Inbegriff des typisch spanischen Gitarrenklangs…

Eine Hauser und spanischer Klang…? Ich habe schon einige Hausers gespielt, aber auf diesen Gedanken bin ich noch nie gekommen. Meine Gitarrenwelt fängt an sich zu drehen…

Dann kommt wiederum ein Beitrag, dass Spanien ja nicht gleich Spanien sei. Zumindest was die Gitarren angeht. Die Gitarren der Madrider Schule (wie Ramirez) klingen ja komplett unterschiedlich wie die der Schule aus Granada (wie Marin) und die wiederum anders als die aus Barcelona (wie Enrique Garcia). Stimmt, das kann ich bestätigen, ich habe und hatte einige dieser Gitarren, und sie klingen wirklich nicht gleich…

Es gibt eine Vielzahl von Meinungen, aber es kristallisiert sich doch etwas eine überwiegende Meinung heraus, wie denn der typisch spanische Klang ist: warm, nicht scharf getrennte Töne, oft als „muddy – but in a good way“ bezeichnet, dunkle Bässe. Eigentlich, das, was gute Zedergitarren ausmachen - die gab es aber erst ab der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts… und so wird für viele der typische spanische Gitarrenklang mit dem Klang einer Zeder-Ramirez-Gitarre gleichgesetzt.

Nun kommt aber der Meister José Romanillos zu Wort. Auf einem YT-Video gibt er seine Definition von typisch spanischem Klang:

"The Spanish guitar, for me, my interpretation, and from what the precedent that I have from the reports about how the original Torres guitar sounded, and for the ones we hear now because there are several that have been used, you have to produce, an instrument would have a treble register that is clear, that has the separation of the voices; it's warm… crystalline warm; and the bass, it has to be very resonant. The resonance has to give an impression that it comes from a well or a cave. So that, to me, they are the two facets that determine what I consider a good sounding, Spanish-style guitar…"


Klare Höhen…? Nun, es ist bekannt was der Meister über Gitarren mit Zederdecke hielt:

“I believe the choice of spruce is the key factor in producing Spanish guitars; I know exactly what can be done with western red cedar: instead of using it to make Spanish guitars, leave it for making roofing shingles and garden sheds!"

Also wieder nichts mit der einheitlichen Defintion…? Nun ja, vielleicht hatte Meister Romanillos ja auch seine eigene Definition…

Und was ist nun das Fazit? Nun, es gibt gar keinen Zweifel! Der Ausdruck „typisch spanischer Klang“ ist höchst subjektiv und nicht eindeutig definiert. Er wird von vielen verstanden als warmer, etwas dunklerer Ton mit weniger deutlich Tontrennung im Unterschied zu den „modernen Gitarren“ mit einem eher neutralen, ausbalanziertem Ton mit scharfer Tontrennung („clean Tone, bell-like clarity“). Dieses Klangspektrum wird aber bei Weitem nicht von allen Gitarren aus Spanien erzeugt und darüberhinaus von vielen Gitarren, die nicht in Spanien gebaut wurden.

Und wie sieht es nun aus mit dem typisch französischem, englischen, deutschen oder japanischem Klang?
Bei Orfeo findet man nicht viel, der Autor Alberto Martinez schreibt:

„Over the course of my travels, I am often asked whether there is such a thing as a French style of lutherie, along the lines of the Madrid or the Viennese schools of lutherie. How to answer this question, given the disparities among guitars made by Robert Bouchet, Daniel Friederich and Dominique Field?
And yet... despite their strong individualities, all three luthiers share certain characteristics that are only seldom found in other schools: highest quality workmanship, artistic flair and homogeneity across all of the guitar's details. All three luthiers satisfy these exacting standards.“


Die Gemeinsamkeiten liegen für ihn also nicht im Klang, sondern eher in der Ausgestaltung.

Oft hört oder liest man dazu: der französische Klang sei sehr ausbalanziert, der deutsche mit hoher Tontrennung, der englische eine Mischung dieser beiden und die Japaner haben wieder einen eigenen Klang. Das war – wenn ich mich recht erinnere auch das Fazit von Miles Roberts. Interessant dabei, dass die einflussreichsten japanischen Gitarrenbauer alle in Spanien bei den großen Meistern dort gelernt haben.

Mein Fazit zu diesem Thema ist – da ich ja auch einige Gitarren aus diesen Regionen besitze: es gibt ihn nicht, den typisch französischen, englischen, deutschen oder japanischen Gitarrensound. Für jeden Klang gibt es viele andere Beispiele in diesem Land auch.
Aber meines Erachtens haben herausragende Gitarrenbauer in diesen Ländern wie z.B. Daniel Friederich, Hermann Hauser, Masaru Kohno etc. mit ihren Schülern eine Schule geprägt, die ihr Klangideal fortgeführt haben, so dass dies oft mit einem „typisch französischem, deutschen, etc. Klang“ gleichgesetzt wird.

So, nun habe ich euch hoffentlich nicht zu sehr beansprucht oder gar gelangweilt mit meiner Spurensuche… Ich jedenfalls lese jetzt etwas entspannter über Verkaufsanzeigen von Gitarren mit „ganz typisch spanischem Klang“.

Schreibt gerne, was eure Meinung dazu ist bzw. wie ihr den typisch spanischen Klang definiert.

Eins ist sicher: es wird darüber fast so viele unterschiedliche Meinungen geben wie Mitglieder in unserem Forum 😉. Aber das bereichert ja gerade unser Forum so!

Viele Grüße
Peter

Ja, genau! Vielen Dank Michael!!!

Gruß
Peter

Zitat von Charlie im Beitrag #10

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Ob es den „spanischen Gitarrenklang“ gibt, ist ja abgesehen von Aspekten des Marketing, von Tradition und Baukunst letztlich die Frage, ob man ihn heraushören kann.

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